profilm.de Zeitzeugenberichte Zusammenfassung

Kurt Schellhammer 1940
Kurt Schellhammer mit seinem Neffen, Pfingsten 1940

Brief an Kurt Schellhammer von seinem Freund Uffz. Peter Breuh vom 3. Inf. Ers. Btl. 13 stationiert in Pisek in der Nähe von Prag

                      Pisek, 1.5.40

Lieber Kurt!

Zu Deinem Geburtstag am 6. gratuliere ich Dir von ganzem Herzen
und wünsche Dir, wie immer, und wie Du es ja weißt, das Aller-
beste. Was das ist, wissen wir selber ja nie, und müssen uns also
auf diesen allgemeinen Wunsch beschränken. Der sei dafür umso
inniger. Das Buch von Thieme "Das alte Wahre" hab ich Dir zur Erinne-
rung an diesen Deinen 1. Geburtstag im Krieg zugedacht. Das alte
Wahre sei uns auch ein Unterpfand unserer Freundschaft,
nichtwahr, lieber Kurt?
       Während ich mangels Nachrichten annehme, daß Du immer noch
im Kriegsgebiet Deine Gemeinde junger und älterer Leute betreust,
hat sich mein Standort, wie an der Ortsangabe oben ersichtlich, geändert.
Durch ein Kommando zu einem Offiziersanwärtersonderkurs bin ich bis
etwa Mitte Mai hier in dem kleinen tscheschischen Landstädchen Pisek,
welches ganz malerisch liegt. Eine Postkarte lege ich bei. Es ist viel
kleiner als Budweis, dementsprechend auch weniger 'los'. Die Kirche,
die sich in der Mitte der Stadt hochragend erhebt, dürfte aus der Früh-
gotischen Bauperiode stammen, während eine andere, von der nur
noch mitten i. Häusern drin das eigentliche Schiff und Chor, typischen
Jusuitenstil zeigt. Die Profanbauten will ich mir am nächsten
Sonntag ansehen, auch ein Museum ist dort.
       Zu diesem Kurs sind Unteroffiziere (45) der Ersatzbataillone
des 3. Regimentes der Division zusammengezogen, Studenten, Beamte,
Angestellte, Fabrikanten, Berufsoffiziere, Abiturienten, also alle
Berufe, ebenso wie Soldaten verschiedenen Dienstalters. Feldwebel
sind Gruppenführer, 2 Leutnants führen den Kurs. Zum Teil sind
wir (R)OA, zum teil nicht, wie ich ja auch. Anschließend sollen
wir auf eine Waffenschule nach Döberitz oder Prag kommen. Wo
man genau hinkommt, weiß glücklicherweise noch niemand. Die
Waffenschule soll 3 Monate dauern, dabei allerhand geboten sein,
auch an Schliff, Lernen und schriftliche Arbeiten in der Freizeit,
also auch andere als rosige Seiten. Nun, man tut sein Bestes, wenn es
gerade hier wertvoll sein wird, innerlich von Beförderungen usw.
unabhängig zu sein.

Eine andere, ganz erfreuliche Angelegenheit: Ab 1.4. bekomme ich
Gehalt, etwa 75,- monatlich, dazu den Wehrsold. Werden wir noch
dazu kommen, diese mal in Fahrten oder Reisen umzusetzen. All-
mählich lernt man ja Geduld, gelt? Andererseits befinde ich mich
gegenwärtig in einer ähnlichen Lage wie Du in Deinem 2. Dienstjahr.
Wäre ich im Herbst ausgeschieden, wäre beruflich wahrscheinlich alles klar,
ginge der Krieg jetzt plötzlich zu Ende, wüßte ich nicht, was ich machen
sollte. Daß es unter diesen Problemen nicht leicht ist, Interesse für
den Kommis aufzubringen, kannst Du mir nachfühlen aus eigener
Erfahrung. nun, lieber Kurt, einen festen Händedruck, in Treue
grüßt Dich
        Dein Peter



© Horst Decker


       


ausgewählte Bücher zum Thema Gefangenenlager in Frankreich