profilm.de Zeitzeugenberichte Zusammenfassung

Kurt Schellhammer im 2. Weltkrieg
Kurt Schellhammer als Oberfähnrich der Infanterie 1941
(das Bild ist wie im Original seitenverkehrt)

Brief an Kurt Schellhammer von Dorle Rößler, 23. August 1940

                      Karlsruhe, 23.8.40

Lieber Kurt!

Über Deinen Brief, der nach einigen
Irrfahrten in der Hutstraße (ich
wohne nämlich 51b) glücklich bei
mir landete, habe ich mich sehr
gefreut. Nachsenden brauchte
man ihn auch nicht, da ich
gerade in Ferien zu Hause bin.
Nun hat dich der Krieg also doch
noch geschnappt. Hoffentlich bist
Du überhaupt noch in Straßburg,
bis dieser Brief hinkommt. Ich
glaube Dir ja, daß die Etappe
auf die Dauer langweilig ist, aber
die 'wunderschöne Stadt' ist doch
wirklich ' 'wunderschön'. Ich war
zumindest immer begeistert,
wenn ich drüben war, sowohl von
den geistigen als auch von den
Magengenüssen. Wenn ich
nicht irre, gibt es irgendwo eine

kleine aber feine Weinwirtschaft,
'das heiliche Grab' - aber so was macht
ihr Soldaten ja von allein aus-
findig.
Gerhard ist zum Glück bis jetzt noch
vom Krieg verschont geblieben und
konnte ungestört studieren in
Heidelberg. Zur Zeit ist er in Kolnau
von der Studentenschaft eingesetzt,
und hilft Flüchtlingslager auf-
bauen. Die Arbeit gefällt ihm
sehr gut und er sieht viel Neues
auch ein kleines Stück Frankreich.
Wenn der Krieg aber noch lange
geht, wird er im Frühjahr einge-
zogen. Vom Gregor weiß scheinds
niemand was. Er ist doch in
der Ehe verschollen. Vor ein paar
Wochen schrieb er mal an Eva
einen sehr mysteriösen Brief,
aber vollkommen umgewandelt.
Wir glauben, er darf nicht mehr.
Eva war vor 8 Tagen schnell hier,

sie ist fröhlich und vergnügt bei
ihren Studien in Würzburg. Daß
Jentmann sich in Flandern auch
das EK errungen hat, hast Du
vielleicht gehört, sonst weiß ich
nichts von ihm. Von Hermann
Götz, der ein Jahr vor uns Examen
machte, wird erzählt, er sei gefallen.
Dem Erich Lang soll es wieder
besser gehen. Das waren so die
nutzerlichen Neuigkeiten. Von
mir selbst ist nichts besonders
Erfreuliches zu berichten. Ich halte
halt so schlecht und recht meine
Schule und habe mich diesmal
auf die Ferien sehr gefreut, weil
nämlich auch Paul Urlaub
hatte. Nun ist der Urlaub in
seinem Verlauf nicht so schön
gewesen, wie ich es mir gedacht
hatte, ich habe nämlich mal
wieder etwas begraben müssen,
was gerade erst schüchtern angefangen

hatte, zu entstehen. (Schön ausgedrückt,
nicht wahr) Aber allmählich kriegt
man auch in so Dingen Übung.
Nur kann man bei so Sachen von
Zeit zu Zeit wieder die bekannten,
kaum überwundenen Minder-
wertigkeitskomplexen kriegen. Wie
das Ganze kam, kann ich Dir
nun schriftlich nicht auseinander-
setzen. Auf alle Fälle spielt ein
großer Freiheitsdrang der Männer
auch hier eine große Rolle, wobei
ich ausdrücklich bemerken möchte, daß ich
nie, auch nur andeutungs-
weise auf eine Bindung oder Verpflichtung
hinsteuerte. Dazu hatte ich viel zu viel
Hemmungen.
Mir ist das Ganze bei allem Hin- und
Herabwiegen nicht verständlich, viel-
leicht kannst Du als Mann das
besser begreifen und mir vielleicht
auch einmal Deine Ansicht darüber
mitteilen. Auf alle Fälle komme
ich mir ziemlich ausgenutzt und
trostlos vor. Aber ich denke, das
geht auch mal wieder vorbei, wenn es
auch momentan schwer fällt. Ich
hoffe nur, daß Du mir nun

nicht auch noch die Freundschaft auf-
kündigst, zumal ja bei uns solche
Hindernisse oder Hemmungen
nicht in Frage kommen.
Nun will ich aber aufhören, sonst
gibt das ein ganz jämmer-
liches Geschreibsel und mit sowas
will man doch die Soldaten nicht
belasten.
Nun genieße noch nach Mög-
lichkeit den Elsässer Wein, neu-
lich war ich in Diesheim und habe
vom Elsässer Wein fast einen Schwips
gekriegt. Also Schluß! Laß
Dirs gut gehen und warte nicht
wieder ein halbes Jahr mit Schreiben.
      herzliche Grüße
                  Dorle

Noch was:Was bedeutet eigentlich
'Heilig?"
Auch noch Grüße von Margarete,
sie hielt schon wieder 8 Tage Schule. Ich fange
am Montag, 26. wieder in ... an.
        

                             


© Horst Decker


     


ausgewählte Bücher zum Thema Gefangenenlager in Frankreich