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Brief aus dem französischen Gefangenenlager Epinal (Vogesen) Frankreich, ca 350km östlich von Paris,
geschrieben am 2.04. 1947 an Ehefrau in Frankfurt/Main



2.4. Meine Lieben ! Heute sind es nun zwei Jahre geworden,
daß ich Dich das letztemal sah. Wer hätte das damals
gedacht, daß eine solche lange Zeit des Abge-
schiedenseins von aller zivilen Welt folgen
wird und wie lange wird das noch dauern,
denn bis jetzt sieht man kaum den geringsten
Fortschritt. Ostern steht vor der Tür, der
Frühling kommt, doch wann für uns? -
Seit meinem letzten Brief vom 24.3. ist an
Post zu bestätigen: Mutschs Briefe vom 13. u. 18.3.
Vaters Brief vom 16.3. . Päckchen habe ich erhalten
und danke Dir vielmals:(#21) 13.3. am 27.3.)
- 22 ab 13.3. am 29.3.)(#23 ab 19.3. am 29.3.)(#24,
ab 19.3. am 29.3.) Diesmal war es so, daß die
Päckchen früher ankamen, als die Ankün-
digung, so auch noch bis heute. Vater
kündigte die #21 u. 22 an und die beiden
nächsten sind bereits hier: Es scheint also
daß wieder irgendwo die Post hängengeblieb.
ist. Bis jetzt sind sämtliche angekündigten
Päckchen angekommen. - Vor einigen
Tagen wurden franz. sprechende Uffz. gesucht,
die die in Offz.-Lager arbeitenden Offz., die
in Büros eingesetzt sind, ablösen sollen.

Ich habe mich auch dafür gemeldet, denn
hier im Lager sitzen, ist hoffungslos,
da der Franzose allen Ernstes das angeht,
die Nichtarbeitenden in die letzte Ent-
lassungsstufe einzuteilen, so daß es
tatsächlich der Fall sein kann, nach
2 1/2 Jahren entlassen zu werden. Meine
Meldung wurde auch angenommen, so warte ich
auf meine Versetzung. Der Winter ist gut
vorübergegangen und nun im Sommer
kann man wieder arbeiten, zumal Büro-
arbeiten mit der franz. Sprache gleich
einer Fortbildung in den Sprachkenntnissen sind
sollte das nicht gelingen, werde ich mich
zum Bauern melden und dann nach
kurzer Zeit wieder als krank herein-
kommen und mit der Magdeburger
Sache weiterbohren. Mir wurde versichert,
daß es klappen wird nur müßte ich
erst krank in ein Lager kommen;
z.Zt. im Uffz.-Zug durfte nichts den
Franzosen vorgestellt werden.
Die Reste, die vor zwei Jahren in K'heim
am andern Morgen übrig blieben, sind

sehr kümmerlich, die Aktentasche samt
Inhalt ging verloren, doch daß man
die Brieftasche, ja sogar mit Geld,
liegen ließ ist verwunderlich, doch
das kleine Fotoalbum ist gestolen.
Die Aktentasche blieb zurück und
ist also fort. Die Strickweste leistete
mir bis vor kurzer Zeit gute
Dienste. Ärmel setzte ich schon ein-
mal von einem amerikan. Pullover
ein. Ich bekam im Januar 47
einen neuen geliefert, so zog ich den
alten auf und verwende ihn
so gut es noch geht als Stopfwolle,
denn viel ist nicht mehr mit
ihm los. Die Wolle löst sich schon
auf, so dünn ist sie geworden.
Die Strickweste hat also ihre Dienste
getan, denn man kann die Tage
zählen, die sie am Nagel hing,-
Das Leben ín der russischen Zone soll
doch im allgemeinen besser sein, als
das in den übrigen, nur mit den
Geldangelegenheiten sieht es trübe
aus. Da die Konten gesperrt sind,
stehen die Leute prakt. ohne etwas
in den Händen da. Nur derjenige
der arbeitet kann leben,-
Volkerlein ist im trüben Leben unser
einziger Sonnenschein, tief be-
dauere ich es, daß ich sein Leben
und Treiben nicht sehen kann,
denn komme ich nach Hause, so
ist er groß geworden und wer weiß
geht vielleicht schon zur Schule.
Doch davon soll man nicht
träumen, sonst könnte man
die Lust am Leben verlieren.-
Daß Mutter eine Frau traf, deren
Sohn ebenfalls dem hiesigen Lager
angehört, ist möglich, doch ihn
aufzusuchen geht nicht, es sei
denn, er ist direk im Lager,
dazu bedarf ich aber seiner Ge-
fangenennummer.-
Bei uns ist nun schon lange
Frühling geworden, am Sonntag
z.B. war es so warm, daß man
schon in Hemdärmel spazieren-

gehen konnte. Heute hingegen
ist es wieder kühler und es
regnet etwas. Ja in Frankreich
gibt es auch ein Aprilwetter. -
Gestern kam ein Kamerad von
Ménil. Dort geht es ihnen noch
gut, sie sind sehr gut über
den Winter gekommen und
sehen sehr gut aus. Auf Ent-
minung gingen sie bei ein-
setzenden Schneefall nicht
mehr, dafür in den Wald zu
Holzarbeiten doch gearbeitet haben
sie nicht viel. Sie gehen nach
wie vor zu ihren Bauern arbeiten,
immer noch wie vor Monaten.
Was wäre nun besser gewesen, dort
zu bleiben oder meinen Weg
einzuschlagen, man kann es
nicht sagen.-
Was bringt uns der Osterhase,
vielleicht wieder einige leeren
Tage, vom Roten Kreuz liebe
Worte ohne Zweck und Erfüllung.

Vielleicht gibt es auch wieder ein
gutes Essen und damit ist
der Osterhase für uns gewesen.
Für heute sende ich Euch die
herzlichsten Grüsse und Küsse
Euer Kurt u. Papi!

© Horst Decker


   


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