profilm.de Zeitzeugenberichte Lager Pouxeux

Brief aus dem französischen Gefangenenlager Pouxeux bei Epinal/Frankreich,
geschrieben am 24. März 1947 an Ehefrau in Frankfurt/Main

24.3.46 Ihr Lieben! Zum bevorstehenden Osterfest sende ich Euch
viele Grüße, in der Hoffnung, daß bald die Entlassung
für uns beginnen möge. Nach den Rundfunkdurch-
sagungen kann man darauf noch sehr lange warten,
da monatlich nur 20.000 entlassen werden sollen,
was etwa 2 1/2 Jahre dauern wird. Doch man sprach auch
wiederum davon, daß diese Durchsage ein Gerücht eines
jüdischen Kommentators gewesen sei; was ich auch
stark annehme, denn noch 2 1/2 Jahre hier zu bleiben,
ist ja Wahnsinn. Also warten wir wieder auf die kommen-
den Monate, was sie bringen werden. Auf alle Fälle
werde ich sehen, daß ich bald heim komme.-
Seit meinem letzten Brief sind hier folgende Lebens-
zeichen eingetroffen: Mutsch's Briefe vom 1.-2., 5., 9.3.
von Vater vom 9.3. . An Päckchen konnte ich mit
vielen Freuden empfangen: Mutsch's Päckchen
mit Keks vom 3.3., angekommen am 18.3. . Päckchen
von den lieben Eltern vom 17.2. mit Zwieback angek. 13.3.
(Haferflocken, Brotaufstr. vom 20.2. am 15.3.)(Salz 26.2./19.3.)
(Erbsensuppe 26.2./19.3.)(Nudeln, Dörrobst, Zucker 6.3./20.3.)
(Erbsen, Fett, Mehl 10.3./20.3.) (Zwieback u. Klebstreifen 10.3./20.3.)
Die Aufstellung, die Vater mitsandte kann ich
alles als angekommen bestätigen, bis auf das
vom 18.1. . Man muß es leider als verloren

betrachten. - Volkers Bildchen habe ich mit viel
Freude erhalten, doch auf der anderen Seite stimmten
sie mich auch sehr traurig und erzeugten ein
heftiges Heimweh. Was doch der kleine Mann so
mächtig gewachsen ist, ja es ist doch eine gute
Rasse, man kann auf ihn Stolz sein. Auf
dem einen Bildchen mit seiner Mutti zusammen,
blickt er so erstaunt an ihr hoch, als wolle
er sagen:' Na, wo ist denn das Ende?' Schön
wär es allerdings, wenn ich auch mit auf
dem Bildchen sein könnte. Ich habe uns
gleich einen Rahmen dazu gebaut, damit ich
ständig Euch vor Augen habe.- Bei uns
hat auch der Frühling eingesetzt, man
kann nun schon ohne Mantel im
Hofe spazieren gehen. Allerdings mit dem
gelinden Wetter gibt man uns keine
Kohlen mehr, so daß nun die Kocherei aus-
fällt. Man kann uns damit aber
nicht ärgern, ich baue schon seit einigen
Tagen eine Kochplatte, mit allerlei Hilfs-
mittel, doch ich glaube, daß es mir gelingen
wird und dann geht die Kocherei weiter.
Man kann hier ab und zu einmal Mais-

Gries kaufen, der auch hilft das Essen
strecken.Über die Päckchen freue ich
mich natürlich, doch wenn Ihr Hunger leiden
müßt da durch, bitte ich Euch nichts
mehr zu schicken, ich werde dann
sehen, auf irgend eine andere Art zu
einer Nebenkost zu kommen. Vielleicht
gehe ich auch wieder arbeiten und ver-
schwinde dann, wenn die Entlassung
noch nicht vorwärts geht.- Die Geldab-
wertung tritt jetzt sehr in Erscheinung.
Man liest so manchen guten Gedanken.
Es soll neues Geld gedruckt werden und
damit ist jeder gezwungen, sein Geld
einzutauschen, somit kann man
also den Geldumlauf sehr gut steuern.
Die Pläne für den Sommer sind sehr
nett und doch hoffentlich ausführ-
bar. Wenn man einen kurzen
Überblick über die noch verbleibenden
Stunden macht, könnte man
vor Wut und Heimweh zergehen.
Vielleicht hätte es etwas genutzt,

wenn ich mich damals am 2. Fbr.
in K'heim nicht gemeldet hätte,
manches wäre mir erspart geblieben,
doch war es wieder eine Schule, man
hat gelernt mit jedem Bißchen
zurecht zu kommen und aus jedem
Stäubchen etwas zu machen, was man für
später gut gebrauchen kann. Man
hat gelernt, genügsam zu sein. Viele
Tausende sind noch während der
Gefangenschaft gestorben und
kommen überhaupt nicht mehr
nach Hause. Auch für uns blüht
der Abschied von dieser Lebensetappe.
An seinem Schicksalsweg kann man
nichts ändern, nur kann man
ihn angenehm beeinflussen. -
Man lebt so hier hin, wie ein Tier
im Käfig gänzlich von der Außen-
welt abgeschlossen, trotz dem ist
es gut auf diese Art. Sähe man
das Leben und Treiben draussen
vor den Mauern, ich glaube man
könnte sich den Kopf einrennen.

Andere Leute haben auch ihre Sorgen
und Nöte, siehe Eure Einquartierung,
solch eine Sache kann nur ein
Krieg zustande bringen, kurze
persönliche Bekanntschaft und
dann nur noch briefliche Verbin-
dung. Jetzt lernt man sich so
richtig kennen und ist von ein-
ander enttäuscht. Auf diese Art
gibt es nun sehr viele Ehescheidungen,
die im Frieden nicht vorgekommen
wären. Viele Kameraden habe ich hier
schon gehört, die berichten, daß sich ihre
Mädels oder Bräute längst ver-
lobt haben; so geht es, wenn die
Personen nicht fest sind.-
Eure Erbsensuppe und die Erbsen
haben sehr gut geschmeckt, doch
das Fett könnt Ihr doch besser ge-
brauchen, Ihr habt so wenig, da-
von könnt Ihr mir doch nichts
mehr abgeben. So mit Mehl und

etwas Mais-Grieß kann man
die Suppe auch eindicken. Den
Notizkalender habe ich doch schon
lange bestätigt, daß er angekommen
ist. Die Bestätigung wird schon sicher-
lich eingetroffen sein. -
Mein liebes Volkerchen! Nun kommt
das Osterhäslein wieder zu Dir, und
ich kann nicht mit Dir seine
Eier suchen gehen. Na, ich glaube
aber doch bald bei Dir zu sein.
Willst Du mir ein Ei aufheben? -
Ich frug einmal an, ob noch meine
Fotoalben vorhanden sind. Gebt
doch bitte Auskunft.
Für heute sendet Euch herzlichste
Grüsse und viele Osterküsse
Euer Kurt u. Papi!

© Horst Decker


   


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