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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, geschrieben am 23. September 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert, wo die Truppe in Sered neu aufgestellt werde soll.

23. 9.44

Liebes Frauchen!
Heute abend nur ganz kurz einige Zeilen, da eben
noch ein Kurier abgeht.
An sich wollte ich diesen Tag überspringen, da ich von
unserer heutigen Reise nach Preßburg und einen nach-
folgenden Besuch bei dem Tierartz recht müde und
schläfrig bin.
Aber ich bringe das eben doch nicht übers Herz und
wenn ich an mein Frauchen denke, kann ich mich
eben doch schnell und leicht aufrappeln.
Weißt Du, die Bilanz meiner Reise hat recht viel
Ärgerliches an sich, obwohl viel, ja viel zu viel in
Preßburg zu sehen war. Zu viel nämlich deswegen,
weil man wiederum als 'armer Proletarier' vor all diesen
Herrlichkeiten steht und doch nichts kaufen kann.
Es reichte nur zu einigen Toilettenartikeln und 2 Büchern
(Puder, Seife, Köln. Wasser, 'Hengst Naestoso' - Buch von Lehmann).
Na, viel Herrlichkeit ist das nun wieder nicht, wenn
man haufenweise Küchengeräte, Kleidungsstücke u.s.w
sieht.
Am Abend hatte ich dann eine Debatte über deutsche
Kultur und das Verhalten der Deutschen in der Slovakei,
die alles andere als Erfreuliches für uns brachte. Ich
stand in der Verteidigung und wußte nur zu gut,
wie recht dieser Mann mit seinen Ansichten und
Eindrücken hatte. Wir kommen hier nicht nur als
Kulturträger, jetzt im Kriege beileibe nicht.

Nun, dieses politische Spintisieren ist mal ganz schön,
nur unter diesen Aspekten durchaus nicht. Das wirklich
Nette daran ist halt, daß man sich von Mann zu
Mann - es geschieht das ja nur im engsten Kreise - aus-
sprchen kann, und der gute Kollege so sieht, daß
man als deutscher Offizier auch sauber und korrekt
denken kann.
Nun, das klingt wieder ein bissel eingebildet und
dennoch ist's das ja nicht. Man hat ja hier einfach
die Verpflichtung dazu und die erkenn ich halt an.

Damit aber Schluß! Viel lieber bin ich jetz am
Tagesende mit meinen Gedanken ganz bei Dir meiner
lieben Frau. Ich spreche Ihr Trost zu, wenn die
Beschwerden dieser Tage allzu groß werden, ich sage
Dir, wie lieb ich Dich habe und Dir viel lieber
durch Taten beistehen würde als nur durch meine
Gedanken, die freilich immer bei Dir sind.
Liebling, ich umarme Dich ganz innig, drücke Dich
und gebe Dir eine Unzahl ganz verliebter Küsse.
Zuletzt einen Gute Nacht-Kuß von
Deinem Wolf

© Horst Decker