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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, geschrieben am 25. September 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert, wo die Truppe in Sered neu aufgestellt werde soll. Er berichtet von von Hengst Kastrationen

O.U. d. 25. 9.44

Frauchen, liebes Frauchen Du!
Gerade bin ich - es ist noch vor Mitternacht - von der
Hengstkastration zurückgekehrt. Weißt Du und dennoch bin
ich damit nicht 100%ig zufrieden. Warum, fragst Du?
Nun, weil der gute Herr Kaminski nicht dabei war und
ich daher morgen seinetwegen noch einmal nachexerzieren
darf und mir leider nur ein sehr unruhiger Hengst zu
Vorführung meiner Operation im Stehen übriggeblieben ist.
Na, mit der mir eigenen Ruhe wird auch das glatt gehen
und ich weiß Dich ja in Gedanken stets bei mir als
gute und hilfsbereite Assistentin. Noch mehr wurde Dir
heute sogar zugesagt, nein nachgesagt. Es war, als
der Kaminski Dein Bild sah - wo ich so ver-
liebt von meiner Frau erzählte, drängte mich natürlich
alles, ein Bild von Dir zu zeigen -, meinte er, Du
seiest kolossal energisch und führest das Regiment,
was ich mir natürlich sehr verbeten habe. Denn
das Regiment führe ich und ich habe auch die Hosen
an, nur ist meine Frau nicht Magd, sondern auch
Herrin im Hause und hat sämtliche Hausfrauen-
rechte. Ja, und das hat sie sogar mit meiner
vollsten Billigung und mit meinem oder sagen wir
besser unserem Wollen; denn Einseitigkeiten gibts nun
mal nicht zwischen uns. Ja, Liebling, das war nicht
einfach, den Herrschaften das klar zu machen. Es ist
vielleicht auch nicht nötig, die Hauptsache ist, wir
sind uns einig. Und das sind wir restlos, das weiß
ich. Drum schnell ein Busserl zwischendurch, aber ein

ganz lieben.
Und nun will ich fortfahren mit Erzählen. 2 mal also
habe ich vergeblich auf den Kollegen gewartet, er ist aber
Tierarzt und daher in der Zeiteinteilung für irgendwelche
Versprechungen alles andere als zuverlässig. Damit muß man
sich halt abfinden. Täte ich es nicht, was solltest Du
dann später einmal sagen?
Nach dem Warten ging ich zum Zahlmeister, holte mir
ein Pfund Zucker für meine Frau und stiefelte dann
zu Kaminskis, um einen neuen Termin zu vereinbaren.
Mein Erfolg war dort der, daß ich lange Stunden
wartete, den Kindern zum Zeitvertreib etwas vormalte,
ein phantastisches Abendbrot aß und schließlich mit
Frau und Herrn Kaminski einige nette Stunden ver-
lebte. Daß Du in Gedanken immer dabei warst,
mögen Dir die Zeilen auf der Postkarte vermitteln.
Ich denke aber, Du bist dessen auch ohne sie
sicher. Oder vielleicht nicht?!
Frauchen, wenn das zuträfe, dann würde ich Dich
jetzt ganz fürchterlich vornehmen, würde mit Dir
raufen und Dich so feste drücken, daß Du bald
von meiner Versessenheit auf Dich überzeugt wärest.
Frauchen, aber das ginge ja eben gar nicht, fällt mir
ein, also wirst Du wohl auch nichts Schlechtes Deinem
Manne, der Dich so lieb hat, nachtragen wollen.
Ich bin so glücklich, Dich zu besitzen und Dir täglich
wenigtens in Gedanken so nahe sein dürfen, Dich
zu umarmen und ganz innig abzuküssen und mit vielen
lieben Grüßen zu sein
Dein Wolf

© Horst Decker