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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, geschrieben am 27. September 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert, wo die Truppe in Sered neu aufgestellt werde soll. Die Wehmachtsnachrichten, die von den ständigen Angriffen auf Frankfurt berichten, machen ihm Angst und lassen an der Entscheidung, dass seine Frau dorthin ziehen soll, verzweifeln. Er erwähnt das Expressgut-Päckchen, das er nach Hause zu seiner Ehefrau schickte, und das er keine Angaben zu dem genauen Inhalt machen möchte. Vermutlich hat er wenigstens einen Teil des Inhalts aus Wehrmachtsbeständen organisiert, was er schon zur Zeit seiner Stationierung in Frankreich praktizierte. Er erwähnt einen Streit mit einem Vorgesetzten.

O.U. d. 27. 9.44

Meine liebe Margot!

Jetzt weiß ich wahrhaftig bald nicht
mehr, was ich schreiben soll, so sehr be-
wegt mich Deine Lage, Frauchen, warum
mußten wir bloß diesen unseligen Entschluß
mit Deiner Reise nach Frankfurt fassen?
War doch an sich alles so eingefädelt, all
- die jetzt eingetretenen Unruhmomente
auszuschalten. Ein sich-in-Sicherheit-wiegen
und manche sicher vorhandenen Unbequem-
lichkeiten in Betsche haben das alles wieder
zunichte gemacht.
Frauchen, heute könnte ich mich deswegen
ohrfeigen, das kannst Du glauben. Freilich
ist diese Klagerei überflüssig, weil all das
doch nicht mehr zu ändern ist und wer
konnte zudem dafür garantieren, daß es
nicht auch ebenso im Osten zugehen würde,

wie es jetzt im Westen steht?
Wenn auch im Wehrmachtsbericht heute
Frankfurt schon wieder genannt wurde und
man schier verzweifeln möchte wegen der Un-
gewißheit, so liebe ich anderenseits den un-
bedingten Glauben, daß Du mir erhalten
bleibst. Das muß sein, denn anders bin
ich genauso fertig, das muß ich Dir mal
bekennen. Mir ist oft jetzt so zumute
wie dereinst, als wir beide in Krakau im
Lazarett lagen. Frauchen, da war mir zum
ersten Mal klar, daß ich ohne Dich nicht
weiter leben kann.
Es ist das schon alles Ausdruck einer
überaus schicksalsschweren Zeit, die uns gewiß
für`s Leben zeichnen wird, uns andererseits
die uns verbleibenden schönen Tage und
Stunden umso tiefer erleben läßt.
Liebes Frauchen, heute nun ist das Ex-
preßpaket abgegangen, d.h. hoffentlich, denn
erst mußte es mal über die Grenze gebracht

werden. Nun halte aber auch mal den
Daumen, daß ich nun endlich Post von Dir
bekomme, die bereits Geschriebene aber ja
nicht aus Frankfurt.
Daß ich Dir den Paketinhalt nicht genau
schildere, liegt an den Bedenken, die ich
wegen einem Empfang im schwer heimgesuchten
Frankfurt habe. Und dennoch habe ich
Optimist etwas leicht Verderbliches mit bei-
gepackt. Sollte das Packerl also starkt rie-
chen, das wäre 'das' dann. Als Nachgesang
auf meiner Seite also nur 'Guten Empfang!?.
Frauchen, heute war mal wieder mein 'Bröt-
chengeber' im Lande. Recht mürrisch und
nicht ohne sich mit mir zu streiten ist
er abgedampft. Ich weiß nicht, ob ich da
bloß dran schuld bin. Ansonsten bin ich
stets als verträglich und ruhig bekannt.
Dieser Herr scheint an mir aber scheinbar
das Selbständige und meine Selbstsicherheit
zu bemängeln. Er möchte lieber Vet.-Offiziere

mit Gefreiten-Character. Da hat sich der
gute Mann in mir allerdings hervorragend
verrechnet. Ich bin bloß gespannt, wann
der erste große Knall kommt. Da ich nichts,
er aber immerhin einiges zu verlieren hat,
wird er aber sicher sehr vorsichtig sein. Na,
wir werden es erleben.
Morgen will ich nun mal etwas reiten, einen
Dienstritt zur Vet.-Kompanie machen, wohin
wir Pferde abgeben.
So, liebes Frauchen, nun ist der Bogen schon
zu Ende und - das ist freilich kein
Grund zum Schluß machen - das trifft
sich, da das Bad angerichtet ist (vornehm,
was?) und meine Herrlichkeit, der Herr
Stabsveterinär seinen olympischen Körper zu
säubern geruhen.
Du läßt Dich aber schnell noch in den
Arm nehmen, Dich liebkosen und Dir un-
endlich, viele innige Küsse aufdrücken. Mit
den herzlichsten Grüßen, auch an die Eltern,
bin ich so

Dein verliebter Wolf

© Horst Decker