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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, geschrieben am 4. Oktober 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert, wo die Truppe in Sered neu aufgestellt werde soll.
Zu Hause zweifelt die Ehefrau an ihrem Verhältnis zu ihren Schwiegereltern, bei denen sie lebt.


O.U. d. 4.X.44

Meine liebe, gute Frau!
Heute also kam wieder mal Post,
aber darin weißt Du noch immer
nichts von meinem Aufenthalt und
ich erfahre darin auch noch nichts von
Eurem Vorhaben für die Zukunft.
Frauchen, Deine Ruhe und Zuversicht
ist zweifellos für mich ebenfalls beruhi-
-gend, aber doch nicht so, um mich hier
ganz sorglos in den Tag hineinleben
zu lassen. Dafür bin ich Dein Mann.
Aber lassen wir das, ich muß Dir diese
kurzen Worte halt immer als Antwort
auf die lieben Zeilen von Dir in meine
Briefe mit einflechten, selbst wenn ich
mich da des öfteren wiederhole. Aber
ist nicht das Bussel, was ich Dir jetzt
in Gedanken gebe und das, was ich von
Dir als Erwiderung erwarte, nicht auch eine
immerwährende Wiederholung? Und dennoch
ersehnt man solche Wiederholung tagtäglich,
nein stündlich, und ist glücklich dabei.

Frauchen, zu meinen Anfragen die Du
im heutigen Brief beantwortest, gibts
im allgemeinen nicht viel zu sagen, da
vorangegangene Briefe von mir wie auch
Deine Zeilen da Aufklärung genug
sind.
Nur zu Deiner Frage über Muttels
Haltung zu Dir willst Du ja Antwort
haben. Liebling, zunächst zu Deinen Be-
denken, die Du allerdings auch anschlies-
send über Bord wirfst, ich meine die, ob
solche Fragestellung über Muttel mir gegen-
-über auch erlaubt ist. Hör mal, und
da sind wir uns einig und müssen es
für immer sein, in jeder, aber auch wirklich
jeder unser Leben berührenden Frage
müssen wir uns aussprechen und uns
verstehen. Selbst Elterliche Bindungen
und auch mitunter dadurch mögliche
Hemmungen sind für mich in meiner
Liebe zu Dir, vor allem heute, wo
wir Eheleute sind, wirklich gegenstands-
los geworden. Ich will Dich nicht krän-
ken wenn ich das in gleicher Konsequenz

für Dich noch nicht annehme. Dafür
bist Du durch das Zusammenleben und
als ewige Tochter natürlicherweise viel-
mehr an das Elternhaus gefesselt. In
solch krasser Form ist das alles auch
noch nicht an Dich herangetreten, sagen
'wir' heute ruhig Gott sei Dank! - 'ich'
tue es im unbedingten Glauben an
Dich, weil ich weiß, Du stehst zu mir.
Jetzt ist Dir rein äußerlich doch noch
das Elternhaus ein Halt, mir jedoch nicht
mehr. Hier draußen bist Du es allein,
Die mich hält und mir das Leben
lebenswert macht.
Ja, Frauchen, ist dann Dein Bedenken
nicht doch ganz unbegründet? Nun,
Du hast es wohl selbst gefühlt und
ich habe Dir das auch nur so ausein-
-andergeklaubt, um Dir zu sagen, wie
lieb ich Dich habe und wie Du mir
in allem vertrauen kannst. Ich verberge
Dir nichts, werde mich nie hinter sogenann-
-ten Notlügen verstecken oder Dir gegenüber
in eine Frauen- bzw. Ehepolitik verfallen.

Man kennt das und weiß sich diesem,
man ist versucht zu sagen normalen
Treiben anderer Eheleute haushoch überlegen. Unsere Offen-
-heit ist für mich der beste Garant
eines wirklichen Glückes. So haben wir
uns dereinst kennengelernt, so erlebten
und liebten wir uns, werden uns immer
weiter lieben und so wird das große, ersehnte
Glück wahr werden.
Ja, Frauchen, und darin müssen wir einig
sein und sind es ja auch. Simmts?
Zu Deiner Frage jetzt kurz die Antwort,
daß Muttel mit ihrem Schwiegertöchterchen
zufrieden war und ich nichts abfälliges (warum
auch, Margot?) geäußert habe. In unseren
Muttel-Charakteristiken treffen wir uns zudem.
Laß mich heute mal Schluß machen
mit dem Schreiben, es ist schon wieder
Mitternacht.
Eines muß ich aber noch sagen, den Eltern
sag für ihre Mühen und Sorgen um Dich
und damit um uns auch von mir mal
recht vielen Dank.
Ja, und dann bist Du wieder bei mir, wir
wollen uns liebkosen und küssen, wie stets,
wenn wir zusmmen sind. Mit den herzlichsten
Grüßen, bin ich so
Dein Dich liebender Wolf


© Horst Decker