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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, geschrieben am 21. Oktober 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert, wo die Truppe in Sered neu aufgestellt wird.
Dr. Schneider erzählt in diesem Brief von seinem Alltag bei der Truppe


O.U. d. 21. 10.44

Meine liebes gutes Frauchen!
Heute gab es mal viel Arbeit.
Zunächst mußte mein Rappe, dem ich bei der
Zahnbehandlung einen Ladendruck (?) beigebracht
habe, behandelt werden d.h. die Schmiede
wurden angewiesen, ihm ein besonderes Gebiß herzu-
richten.
Danach war Stallbesichtigung bei der Stabsbatterie
und Krankenbehandlung. Dabei Duplizität der
Fälle, ich bekam den 2. Kranken mit Pe-
-taliolfieber (?), einer Krankheit, die nur selten gut
ausgeht.
Am Nachmittag Schmiede. Unterricht, an-
-schließend wiederum Pferdebehandlung und
zum Schluß noch eine Selektion. Mit dem
Rappen kam ich bei Sonnenuntergang end-
-lich nach Hause galoppiert. Er läuft und
springt ganz manierlich. Na, mal sehen, ob
ich mir nicht noch einen von den Neunen
herausfische.
Ja, Frauchen, ich setzte das 'viele-Arbeit-ha-
-ben' gleich an den Anfang und muß
jetzt weiter mit der Bemerkung fortfahren,

daß da heute recht gut war.
Denn mich hat es mal wieder ge-
-packt. Ich weiß nichts Rechtes mit mir
anzufangen und fühle mich garnicht wohl
in meiner Haut, kann aber nicht sagen
warum.
Ein Haufen Bücher habe ich auf dem
Schreibtisch liegen, aber ich bringe es ein-
-fach nicht über mich, in einem davon
zu schmökern. Fange ich wirklich mal in
einem an, so bleibt es dann auch da-
bei.
Zu allem Unglück kam da heute
noch die Abberufung unseres Kommandeurs
zu einem Lehrgang und meine Beauftra-
-gung mit allerlei schönen Posten -
was ich Dir allerdings z.T. schon mit-
-geteilt habe. All das paßte mir
garnicht in den Kram, einfach deswegen,
weil dann das Gepfusche wieder groß
geschrieben ist und man zu einer

erfreulicheren Arbeit nicht mehr kommt.
Aber das ist ja sowieso beim Truppen-
-veterinär nicht weit her. Nur traurig,
daß es den meisten zur Gewohnheit
wird und sie dann gar nicht mehr
wissen, was Männer unseres Standes zu
tun haben.
Eine Freude habe ich jedoch heute
noch, das ist ein anständiges Wannenbad.
Frisch und sauber werde ich mich also
bald in die Falle legen, mir Dein
Bild anschauen und ein wenig über
unser Lütten mit Dir plaudern, daß
ein offenes und quicklebendiges Menschen-
-kind werden soll, ganz gleich, ob es
Almute oder Notker heißt.
Wenn in einigen Wochen die Nachricht
von der Geburt bei mir eintrudeln wird,
Du, dann werde ich, glaube ich, ganz
aus dem Häuschen sein vor Freude. Aber
was, ich bin's ja heute schon über
meine, ja, meine Mutti. Frauchen, komm

und laß Dich ganz lieb abdrücken
und liebkosen, Dich innig küssen und
recht, recht herzlich grüßen (natürlich
auch das Würgel und die Eltern)
    von
        Deinem Schneider

© Horst Decker

Anm: die mit '?' gekennzeichneten Worte waren nicht eindeutig lesbar





     




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