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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, 8. November 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert.
Während Dr. Schneider einer erneuten Rückzugs-Verlegung nach Ungarn entgegen sieht, steht zu Hause bei seiner Ehefrau die Geburt des ersten Kindes bevor.


O.U. d. 8. XI.44

liebstes Frauchen!
Beim Schreiben des Datums fiel mir eben auf,
daß ich mich wohl heute wie gestern geirrt
haben muß. Wie dem auch sei, Du bekommst
schon sinngemäß irgendwie heraus, wie die Reihen-
-folge sein muß.
Meine Schrift ist im Augenblick abscheulich
und ich hoffe nur, Du kannst sie einiger-
-maßen entziffern. Warum, weiß ich nicht recht.
Meine Hand ist halt mal so widerspenstig,
der Wille zur Zier- und Musterschrift ist aber
vorhanden.
Vielleicht ist ein bissel Freude über einige Ein-
-käufe mit meinen letzten Kronen dabei, die ich
heute in einem 'Bata' Geschäft machen konnte.
Kurzum, ich weiß nicht, was der Grund ist.
Noch immer sitzen wir in Sered. Übermorgen soll
es dann ab Richtung Ungarn gehen. Wieder ein
neues Land, die geographischen Kenntnisse werden
bei Deinem Mann also immer besser.
Frauchen, wenn ich mit Dir diese Kenntnisse
bei gemeinsamen Reisen sammeln würde, wäre
mir das allerdings 100x lieber. So ist das
halt nur ein schwacher Trost für unser Ge-
-trenntsein.
Gib mir drum einige Busserl, kriegst
auch genausoviel verliebte Küsse wieder zurück,
Dann, wenn der gestrige Brief verloren gegangen
sein sollte, die neue Feldpostnummer (aber die
alte Einheit!) 66043 A.

Ja, und nun sollst Du noch etwas von mei-
-nem Tagesablauf wissen.
Am Morgen Pferdeverteilung, Krankenbehandlung. Mittag
Einladung bei Kaminskis zum falschen Hasen,
danach zivil-Praxisfahrt. Am Nachmittag etwas
Papierkrieg und Fleischbeschau. Am Abend wollte
ich ins Kino gehen und siehe da, ich
kannte den Film schon (Priesennot)! Also
bin ich wieder bei dem slow. Tierarzt gelan-
-det und habe mit ihm und seiner
Frau geklönt.
Die Bilder finden hoffentlich Deine Zufrieden-
-heit, es klappte ja verhältnismäßig gut.
Na, Dein nächstes Bild wird dann schon zusam-
-men mit dem Gör aufgenommen werden.
Ich kann es hier kaum erwarten, obwohl
ich mir sagen muß, daß dieses Gefühl Dir
viel eher zukommt. Ja, Frauchen, ich wünsche
Dir auch, daß diese Zeit nun recht bald
und ohne Komplikationen ihr Ende findet.
In Gedanken drücke ich Dir nur als Bestätigung
meiner großen Dankbarkeit dafür einen lieben
Dankeskuß auf.
Davon trennen ließe sich aber eigentlich gar-
-nicht die Unzahl von Küssen, die ich Dir
bei den leider jetzt nur brieflich erfühlten
Umarmungen und Liebkosungen gebe.
Mit den herzlichsten Grüßen auch an die
Eltern, bin ich so
          Dein Schneider

© Horst Decker





     




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