profilm.de Zeitzeugenberichte Balkanfront

Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, 8. November 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert.
Während Dr. Schneider einer erneuten Rückzugs-Verlegung nach Ungarn entgegen sieht, er macht einen Abschiedsbesuch bei einem Gutsbesitzer.


O.U. d. 8. XI.44

liebstes Frauchen!
Eben ist es 1/2 3h, also sehr spät für den
Tagesbrief, ansonsten aber sehr früh.
Ursache davon ist der traditionelle Freitagsbesuch
bei der Gutsbesitzerfamilie. Durch die Pferdedurch-
-sicht des Divisionsveterinärs ist es halt sehr
spät geworden. Erst gegen 5h war ich an
meinem Wohnort, um danach per Reitpferd zu
dem 12km entlegenen Dorf zu starten. Es
war also schon stockdunkel. Zu allem Über-
-fluß fing es bei meiner 'Abreise' noch an zu
regnen. Dank meines Kradmantels kam ich
jedoch einigermaßen trocken hin. An Ort und
Stelle wurde ich denn auch in einer Weise
bewirtet, die das Schlechtwetter recht schnell
vergessen ließ. Kurzum, ich habe mal wieder ge-
-schwelgt. Dazu gab es den schönen 'Bujary-Wein'
(Bujary = ausgelassen (!?)), danach Kaffee und Torte.
Die gute Frau hat sich zum Abschied -
denn wer weiß, ob ich sie noch mal aufsu-
-chen kann - allerhand Mühe mit dem
Herrn Stabsveterinär gemacht.
Am Tage also bin ich per Kutsche oder Auto
wild durch die Gegend d.h. mit dem Divisions-
-veterinär das Regiment abgefahren. Es galt,
schwerste Pferde für eine andere Division heraus-
-zusuchen. Als Regimentsveterinär der Artillerie
hat man da keinen leichten Stand.
Ich bin aber trotzdem ganz zufrieden im
Kutschwagen nach Hause gefahren. So einiges
profitieren wir halt auch durch die Um-
-wechselerei . Bei der Affäre gibt's halt nur viel

Arbeit und Zeitverlust.
Wegen Übernahme der Lazarettstaffel in der Vet-
-kompanie habe ich auch leicht gebohrt. Ob es
was wird, ist noch fraglich. Wahrscheinlicher ist,
daß ich zum hohen (?) Regimentsstab gehen und´
von dort aus noch eine Abteilung beordere.
Eine Feldpostnummernänderung ist aber nicht aus-
-geschlossen. Dabei werde ich aber nichts unver-
-sucht lassen, Dir rechtzeitig Bescheid zukommen
zu lassen. Denn Grund, um danach ewig
auf Briefe von meiner Liebsten warten zu
müssen, ist das einfach nicht.
Weißt Du, auf so manche Frage Deiner
letzten Briefe einzugehen, erspare mir bitte.
Ich bin müde, möchte das Plaudern bis
zum kommenden Abend verschieben und nur
träumen von Dir.
Träumen, wie wir uns ganz eng und
innig aneinandergeschmiegt umarmen, uns
oft und heiß küssen und damit immer
wieder uns neu unsre unendliche Liebe
gegenseitig beweisen.
Wie geht's meinem Schwesterchen? Vor allem
aber der lieben Mutti?
Frauchen, das war es noch, was ich Dier vor
dem 'Gute-Nacht!-Gruß' und - Kuss sagen
mußte. So bin ich in Gedanken stets bei
Dir
          Dein Schneider

© Horst Decker





     




ausgewählte Bücher über den Einsatz der Wehrmacht auf dem italienischen Kriegsschauplatz