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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, 11. November 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert.
Wegen der immer näher rückenden sowjetischen Armee und einsetzender Partisanentätigkeit zieht sich die Truppe nun nach Ungarn zurück.


O.U. d. 11.XI.44

So mein liebes Frauchen
Jetzt heißt es packen, damit alles parad
steht, wenn das Gepäck aufgeladen werden
soll. Nur noch Stunden sind es, die wir
hier in Sered verbleiben können.
Die letzten Kronen - wir haben inzwischen
nochmal einige bekommen - werden nun noch
an den Mann gebracht und dann werden
wir uns nun mehr um Pengo bemühen.
Wir hörten jedoch schon, daß es in Ungarn
mit der Einkauferei sehr schlecht bestellt
sei. Also ist es gut gewesen, wenn wir uns
hier so 'angestrengt' (?) haben.
Frauchen, es ist schon regelrechter Morgen
heute, wo ich Dir den Brief schreibe.
Gestern abend war ich so richtig zerschlagen,
warum, weiß ich nicht, aber das Bett lockte
dermaßen, daß ich - ein Schreiben darin ist
wegen schlechten Lichts in der Kampagnezeit
kaum mehr möglich - lediglich meine ganzen
Gedanken auf meine Margot konzentrierte
und die mir, glaube ich, auch unter Gegen-
leistung von verliebten Küssen versprach, mir
nicht böse zu sein, wenn ich das Schreiben
auf einige Stunden verschieb.
Nun, wie ist's damit? Stimmt das auch? Sag
ja und Du sollst auch jetzt ein paar liebe
Busserl bekommen.
Gestern morgen wurde ich gleich zu einen weniger

schönen Patienten gerufen. Er hatte sich die
halbe Hinterbacke an einem Haken abgeledert.
Mit Epiduralanästhesie galt es da, feste zu nähen.
Nun, es ging recht gut und ich will nur hof-
-fen, daß die Nähte halten - wegen der vie-
-len Bewegung an der Stelle oft häßlich -
und die Sache sich wenigstens etwas zusam-
menzieht.
Am Mittag lieh ich mir eine Kutsche und
fuhr halt auf den besagten Gutshof, wo
mich die Leutchen recht erfreut aufnah-
-men. Mit dem Mitnehmen war das aller-
-dings doch nichts. Aber deswegen war ich
ja auch nicht rausgefahren. Unter Menschen
will man halt sein, denn diese Kommisum-
-gebung und diese Leute, die man genau
kennt und die ohne Herzlichkeit dauernd die glei-
-chen albernen Themen abhaspeln, die hat man
übersatt.
Am Spätnachmittag war ich dann noch bei Ka-
minski und habe den heutigen 'Abschied'
vorbereitet. Ich schicke Dir das Familienbild, das
sie mir zur Erinnerung mitgaben. Mein Freund
ist rechts der kleine Junge, Burdan.
Du siehst, die letzten Tage sind weniger arbeits-
-reich, aber das ist auch einmal noch ganz er-
-freulich, vor allem, wo man nicht recht weiß, was
kommen wird.
Frauchen, Du bist in meinem Leben halt die einzige
'Konstante', mit der ich rechnen kann, die
mich immer anhört und die ich stets in Gedanken
mit mir eins weiß. Drum laß Dich umarmen und
ganz lieb und innig küssen von
          Deinem Wolf

© Horst Decker





     




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