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Brief nach der Ankunft in Ungarn an Ehefrau in Frankfurt/Main, 20. November 1944

(irrt. datiert 21.11.) Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hatte sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und wurde von dort an die Grenzregion Slowakei-Ungarn verlegt.
Mittlerweile ist sie bereits in Ungarn. Die militärische Lage der Wehrmacht im Osten wird durch den Vormarsch der Sowjetarmee bestimmt.


O.U. d. 21.XI.44

Meine liebe, gute Frau!
Eben bin ich vom Regiment zurückgekommen und bin
eigentlich mal ganz zufrieden mit dem dort Besproch-
-nen gewesen.
Ist doch nun unser alter Abteilungskommandeur, der
Major, Kommander des Art. Regiments geworden. Der alte
Adjutant, Nachrichtenoffizier und mein 'Viehierte' sind ihm
treu geblieben d.h. sie sind auch beim Regiment.
Der alte Regimentskommandeur ist sehr plötzlich abberufen
worden. Es wurde Zeit, daß dieser Mann hier verschwand.
Dir habe ich ja schon Manches über ihn
erzählt, Du wirst also meine Genugtuung verstehen, die
dieser Wechsel bei meinen Ansichten ausgelöst hat.
Gibt der neue Kommandeur doch die Gewähr dafür,
daß diese klägeriche Episode in einem Kreise deut-
-scher Offiziere ein Ende findet. Zweifellos wird in
dieser Sache bei mancher Einheit noch ein Weinen
kommen. Gott sei Dank kam heute auch für das
Regiment der 4. Veterinäroffizier, so daß mir nur die
IV. Abteilung verbleibt. Ich werde da also vorerst auch
bleiben und mich schon durchbeißen. Es ist zudem
ja auch ein Glücksumstand dabei, d.h., es kommt
somit zu keiner neuen Feldpostnummeränderung.
Mein Gott! Doch, nein! Ja, die letzte Post ist immer
noch vom Oktober.
Aber weiter sollte ich erzählen, daß ich mir nunmehr
einen 'Leibburschen' angeheuert habe, es ist ein über-
zähliger Schmied, übrigens einer von der Volksliste 3,
ein halber Pole, dabei aber ein anständiger Kerl.
Heute fuhr er mich erstmalig mit 2 netten Rappen [das
scheint meine Farbe zu werden, was Pferde anlangt; bei
Frauen soll ich's ja noch immer mit den Blonden hal-
-ten. Man sagt sogar, da nur mit einer (!?)] zum Regiment,

wo ich einige Meldungen zu machen hatte.
ja, und bei Mondenschein gings nach Hause. Vor uns
gingen öfters die weißen Kugeln der Leuchtpistolen
hoch, ab und an sah man den Feuerschein eines
Abschusses der Artillerie des Russen jenseits der Donau.
Als Kulissen sahen wir dann immer einige Melder
vor uns dahertraben. Fast erschien das alles wild-
-romantisch und es war es ja auch.
Morgen frühzeitig fahre ich als Regimentsveterinär
zur Pferdezuweisung. Da wird es allerlei Gefeilsche
geben. Na, und wenn das vorüber ist, bin ich heil-
-froh. Doch davon morgen abend.
Jetzt erst noch ein paar liebe Busserl. Ja, so ists
recht! Ja, aber was macht unser Lütter? Nun, das
kriegt doch auch ein paar, wie?
Frauchen, und nun noch ein eigenartiges Erlebnis
heute morgen. Bei strömendem Regen machte ich
gerade die übliche Stallvisite und ging über
den Hof, als ich etwas abseits ein Mords-Strohfeuer
entdeckte. Ich steuerte drauf los und siehe da,
es liegen dort schon 4 tote, kohlrabenschwarzge-
-brannte Schweine und eines wurde gerade mit
dem Feuer abgesengt. Bei den hiesigen Schweien,
die eine regelrechte dicke Wolle besitzen, ist das
vielleicht ganz angebracht und doch sieht es ulkig
aus. Als ich so meine Gedanken hatte, trompetete
es plötzlich ganz wild in der Gegend herum und
um die Ecke schniefte ein ein Haufen Weideschweine
jeden Alters. Ja so viel Schweine am Morgen, die
müssen doch eigentlich Glück bedeuten. Und damit
halte ich es, wenn ich an mein liebes Frauchen
und unser Gör denke.
Frauchen, liebstes, ganz närrisch bin ich schon auf jedes
Wort, ja auf alles, was von Dir kommt. Um wie vieles mehr aber
auf Dich als mein Frauchen, wenn ich Dich umfassen,
liebkosen und ganz innig abküssen kann,
          Dein Schneider

© Horst Decker





     




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