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Brief aus Ungarn an Ehefrau in Frankfurt/Main, 30. November 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hatte sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und wurde von dort an die Grenzregion Slowakei-Ungarn verlegt.
Mittlerweile ist sie auf dem Rückzug und in Ungarn angelangt.


O.U. d. 30.XI.44

Liebstes Frauchen!
Heute wieder ein Kurzbericht.
Warum? Nun mein hoher Divisionsveterinär, der auch
um seinen Urlaub betrogen ist und darum garnicht
daran denkt, einen von uns wegzulasen, liegt neben
mir in meinem Quartier und nächtigt mit mir zu-
sammen.
Da liegt er also, um das Licht dem guten Mann
nicht allzulange leuchten zu lassen (Auf die Er-
leuchtung davon zu warten, wäre vergebliche Liebesmühe),
sich kurz zu fassen.
Getan worden ist nicht allzuviel heute. Dennoch
habe ich mir mal all meine Sorgen und meinen
Ärger von der Seele geredet, so daß ich heute
abend doch eine gewisse Erleichterung verspüre.
Frauchen, daß unsere Almute wieder ein bissel ge-
-feiert wurde, versteht sich am Rande. Daß Du aber
als meine liebe Frau und Mutti dabei für mich
der Mittelpunkt bist, ist selbstverständlich.
Eben habe ich noch das Notwendigste für morgen
zum "Türken-Spielen" vorbereitet. Mal sehen, ob die
Herrschaften wenigstens dann mal spuren. Ich möchte
kaum daran glauben. Na, Du wirst es morgen abend
erfahren.
Der Besuch heute hat mich um Entenbraten ge-
-bracht, zu dem ich eingeladen war. So gabs nur
Truppenkost. Ist das nicht traurig bei unserer jetzigen
Magerkost?
Du meinst also, Dein Bäuchl wäre eher verschwunden
als der meine, von wegen Sieg auf der ganzen
Linie? Weit gefehlt, ich habe, glaube ich, auch
keinen mehr. Das Reiten und der Ärger (?) haben
das ihre getan, um dieses lästige Anhängsel verschwin-

-den zu lassen. Siehst Du, jetzt drehe ich Dir
eine lange Nase und wenn Du gar meinst, Du
hättest Dich verdoppelt, ich vielleicht nicht? Puh,
jetzt möchte ich Dein Gesicht sehen. Weißt Du, ich
würde es dann am liebsten gar nicht mehr
sehen, so nah will ich Dir sein und Dich von
Herzen dankbar abbuseln.
So, und nun Schluß, der hohe Herr gibt sich
schon ganz ungemütlich. Morgen mehr. Drum 'gute
Nacht!' und ganz leise geflüstert. ich habe Dich
doch sooo lieb, will Dich umarmen und in Gedan-
-ken eins mit Dir sein.
Viele liebe Grüße und Küsse Euch beiden

                                Dein Schneider

Die Schrift ist wegen meiner
momentanen Lage im 'Bett' so verrückt!

© Horst Decker





     




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