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Brief aus Ungarn an Ehefrau in Frankfurt/Main, 4. Dezember 1944

Der Rückzug der Truppe von Dr. Schneider geht weiter.


5. XII. 44

Meine liebe gute Frau!
Wieder mal ist's also so weit, daß
wir die Koffer packen und zwar
morgen, weil der Gegner stärker
ist als wir es sind.
Nach einer recht aufregenden Nacht
mit sich überschlagenden Meldungen
war der Tag etwas ruhiger geworden.
Es schien so, als würde der Ivan
wieder zurückgetrieben. Allen Anschein
nach ist's aber anders gekommen
und wir warten jetzt auf unseren
Marschbefehl.
Da ist es es dann an der Zeit, meinem
lieben Frauchen den Tagesgruß zukom-
men zu lassen. Die Nacht werden
wir uns also um die Ohren schlagen.
Wie das geschehen wird, weiß ich noch
nicht.
Am Nachmittag war ich nochmals vorn

an den Nahprotzen und habe mich
um die Pferde bemüht. Jetzt
scheint alles für die Katz gewesen
zu sein. Die Vereinbarungen, die ich
getroffen habe, werden hinfällig wer-
-den. Das ist schade, denn morgen
wollte ich noch allerlei für die
Abteilung ranorganisieren, zumindesten
einige Pferde.
Am Vormittag setzte ich unseren Troß
mit sämtlichen kranken Pferden in
Marsch, eine ganz stattliche (?) Menge.
Einige mußten wir zurücklassen.
Ja Liebling, jetzt gehen die Rück-
-zugssorgen wieder an.
Es ist eigentlich zum Gotteserbarmen.
Wollen nur hoffen, daß da recht
bald wieder ein Halt kommt und
es nicht so weiter geht wie derzeit
im Westen.
Am Nachmittag verabschiedete ich mich

noch von dem Pächter meines letzten
Quartiers. Sie hatten gerade ein
Schwein geschlachtet, so daß die An-
-gelegenheit ganz nett fettig wurde.
Nun heute Nacht können wir das
gebrauchen. Denn, wenn es hier in
Ungarn klimatisch auch recht mild
ist, so geben sich Dezembernächte
schon als solche zu erkennen.
Heute werde ich nicht mit Dir
in Gedanken ins warme Bett krie-
-chen können, heute kann ich
nur weit entfernt davon träumen.
Dafür bin ich dann aber die ganze
Nacht bei Dir und das ist eigent-
lich doch ein Vorteil.
Nur schade, daß ich noch immer
keine genaue Nachricht von Dir
und der Lütten habe. Es würde
nun doch einmal Zeit, zu wissen,
wie es Euch beiden ergangen ist
und jetzt geht.

Im Moment machen mir die Land-
-ser ein bissel Sorgen, weil die die
wenigen Sympathien der Ungarn für
uns durch schlechte Landsknechtsal-
lüren noch völlig zunichte machen.
Zwar wäre das alles nicht weiter
schlimm nach dem bisher hier
Geschehenem. Aber, aber...!
Wo haben wir dann noch Freunde?
Da giebt es für mich als Offizier viel
gutzumachen und zu beschwichtigen.
Das ist aber durchaus nicht immer
einfach.
Liebling, aber das soll mich garnicht
weiter bedrücken, wenn ich an Dich
denke und in Gedanken ganz bei
Dir bin.
Ich umarme Dich ganz inning und
will ganz bei Dir sein. Dann kann
ich doch alles um mich vergessen .
Ich bin glücklich, mit vielen lieben
Küssen und Grüßen stets zu sein,

                                Dein Wolf

© Horst Decker





   




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