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Brief eines Luftwaffensoldaten an ein ihm unbekanntes berliner Fräulein

                      27. August 1942
Liebe Klärli!
    Gestern bekam ich Deinen
Brief vom 18., hab vielen Dank
dafür. Jetzt nach Deinem Urlaub
hat sich schönes Wetter eingestellt,
das ist allerdings Pech. Nun hast
Du wenigstens noch schöne Sonntage,
was ja auch etwas Wert ist. Und
braungebrannt bist Du, schade
das ich kein Fernrohr habe, mit dem
ich bis nach Berlin sehen kann!
Zu Hause habe ich keine Bade-
gelegenheit, da muß ich schon
an die Elbe nach Wittenberg fahren,
oder an den Plauer-See in Mecklen-
burg. Wenn ich nach Hause fahre,

dann fahre ich auf der Berlin-
Hamburger Strecke bis Glöwen und
von da in Richtung Lindenberg bis
Krams, wo ich wohne. Man kann
auch mit dem D-Zug bis Witten-
berge fahren und dann das kleine
Stückchen wieder zurückfahren. Mein
Vater verwaltet das Gut Krams, es
sind ungefähr 1800 Morgen.
Wenn ich meine Schwester besuche
fahre ich dieselbe Strecke aber bis
Hagenow-Land, in Vellahn hat
mein Schwager eine Praxis als Prakt.
Arzt. Als Oberarzt hat er vor Lenin-
grad ein Bein verloren und liegt
jetzt noch im Lazarett. 10 Jahre lang
hat mein Vater ein, dem Baron von
Putlitz gehörendes Gut verwaltet, auf

dem ich eine sehr schöne Zeit verlebte.
Es gab dort 17 größere Karpfenteiche
mit 6 Kähnen, teils im Wald, teils
in Wiesen gelegen. Außerdem einen
schönen Park, Obst- und Gemüse-
gärten, eine Spargelplantage. Unsere
dortige Wohnung hatte 15 Zimmer,
Wasserleitung, usw. . Da konnte ich
zu jeder Tages- und Nachtzeit soviel
Lärm machen wie ich wollte. Alles
war umgeben von einer eisernen Ruhe,
besonders an Sonn- und Feiertagen.
Oft hatte ich Schulfreunde da, wir
sind dann ausgeritten, oder sind
mit dem Förster oder Fischer umher-
gestreift. Meine Kaufmannslehre
machte ich in der mecklenburgischen
Kleinstadt Goldberg durch, auch dort

gab es einen 5km langen See,
sowie den 7km langen Wobberliner-
KLoster-See, einfach wunderbar.
Dann folgte meine Arbeitsdienst-
zeit in Neustadt - Glewe und meine
Rekrutenzeit in Lübeck, von da bin
ich bei schönem Wetter an die Ostsee
nach Travemünde gefahren. Nun
habe ich Dir wohl genügend von
meinem zu Hause erzählt, jetzt
also zur nächsten Frage. Mit meinem
Schulkameraden bin ich damals für
einige Tage auf ein Gut bei Oschers-
leben gefahren, wo wir fürstlich gelebt
und gewohnt haben und vor lauter
Johannis- und Stachelbeeren nicht
mehr klar kamen. Von dort hat
uns der Verwalter mit dem Auto
bis Thale gefahren, von wo wir

wie die Zigeuner frei nach Lust
und Liebe die Bode aufwärts ge-
laufen sind bis zum Brocken.
Hauptsächlich sind wir auf Wald-
wegen und Steigen durch die Ge-
gende geschlendert, alles, was es an
Sehenswürdigkeiten gab, mitnehmend.
Von Schierke am Brocken sind wir
dann nach Werningerode gelaufen.
Die Baumannshöhlen in Rübeland
habe ich auch gesehen.
      Nun weiter im Text. Unser
Geschwader führt Major Nordmann.
Vordem hat es Major Beckl geführt,
Major Beckl ist im Osten den Helden-
tod gestorben.
      Mit dem Fliegeralarm ist es
ja ein tolles Ding gewesen und

noch dazu am hellen Tage. Wer-
neuchen ist gewissermaßen unser
zu Hause, daher die Verbindung
nach dort.
      Nun wieder Schluß für
heute, hoffentlich kannst Du
meine schlechte Schrift entziffern,
ich schreibe immer als wenn ich
einen Geschwindigkeitsrekord auf-
stellen will.
            Herzliche Grüße
                     Ulli



     


© Horst Decker