profilm.de Zeitzeugenberichte Zusammenfassung

Brief eines Luftwaffensoldaten an ein ihm unbekanntes
berliner Fräulein

                     
Liebe Klärli!
        Morgen beginnt nun der Monat,
auf den ich so viele Hoffnungen ge=
setzt habe, der November. 'Urlaub' ist
das einzige Wort, welches uns etwas in
Erregung setzen kann. Dieses ist der
morgige Sonntagsbrief, ich beginne
ihn schon, obgleich wir jetzt Sonnabend=
abend haben. Das macht aber weiter
nichts, denn Sonnabendabends und
Sonntags habe ich die gleiche Stim=
mung. Weißt Du, es ist so eine Stim=
mung, als wenn ich irgend etwas
Schönes erleben möchte. Eine schöne
Tanzmusik habe ich jetzt auch im
Radio. Soeben höre ich, 'Was eine

Frau im Frühling träumt', schade das
ich das nicht weiß, wenn die schönste
Jahreszeit wieder ausgebrochen ist, dann
kannst Du mir das ja erzählen? Jetzt
höre ich Schlager aus vergangenen Zeiten,
'Nachts ging das Telefon'! Ich werde Dich
natürlich am Tage anrufen, wenn
auch ein Anruf nachts so von Bett zu
Bett nicht gerade zu verachten ist. 'Der
erste Kuß' heißt der jetzige Foxtrot,
Na - ich bin ja auch gespannt. Aber
warum sollte das nicht klappen, wo
wir doch beide keine Anfänger mehr
sind!! Und jetzt der Fox 'Ja und nein
das kann das selbe sein' ich meine, es
kommt ganz darauf an !! Übrigens
bin ich auch wieder aktiv, mit noch
drei Kameraden mach' ich öfter Musik

Wir sind Spezialisten für Bar-Musik.
Na, ich werde Dich ja bald, unter an=
derem auch in eine Bar entführen. Ko=
misch, ich kann heute überhaupt nicht
vernünftig schreiben, was Du mir sicher
nicht übel nimmst. Wenn ich jetzt bei
Dir wäre, dann würde ich sogar alles
machen, was Du sagst. Heute habe ich
Bratkartoffeln gemacht. Kochkenntnisse
habe ich auch, sowie Kenntnisse im Aus=
fegen, Heizen, Bettmachen, Einkaufen,
ich kann Mehl von Kartoffelmehl unterschei=
den, kann Salate herstellen und was es
sonst noch alles gibt. meine ersten Kocher=
fahrungen habe ich im Frankreichfeldzug
gesammelt, an allen Ecken und Kanten
wurde gekocht und gebraten. Zutaten waren
äußerst billig, ein Ei fünf Pfennig, 1 Pfund
Butter 35 Pfennig usw. Wenn es auch manchmal

in der ersten Zeit nicht geklappt hat mit
der Kocherei, so fehlen uns jetzt die Zu=
taten. Aber wenn man solche hauswirt=
schaftlichen Eigenschaften hat wie ich,
dann kann man unbedingt 'heiraten'!!
Nur mit Kinder kann ich noch nicht um=
gehen, aber mit Erscheinen des vierten und
fünften Erdenbürgers werde ich das auch
weg haben. Vielleicht mache ich dann
noch einige geniale Erfindungen auf
dem Gebiete der Kindererziehung, was
die Sache äußerst mühelos macht.
Zum Schluß will ich aber wieder vernünf=
tig sein, Ende gut alles gut. Hoffent=
lich habe ich mich nicht zuviel gelobt,
sodaß Du mich gleich bei der ersten Gelegen=
heit auf die Probe stellst.
      Sei nun wieder herzlich gegrüßt
                von Deinem                      Ulli



     


© Horst Decker