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Brief von Otto Rieck an seine Eltern in Hamburg

Er schreibt auf einem Briefbogen des Füsilier Regiment Königin (Schlesw. Holst.) Nr. 86 mit Regimentswappen

Liebe Eltern u. lieber John!
Zunächst will ich kurz Fragen
vom letzten Brief beantworten.
Über unsere Ankunft hier in
Flensburg ist nichts Besonderes
zu sagen. Am Bahnhof war kein
Unteroffizier, der uns abholen wollte.
Die meisten Rekruten, die mit
in Hamburg einstiegen, sind
nach Kiel zur Marine gefahren.

So hatten wir von Neumünster bis
hier ein Kupee für uns. Bei uns saßen
nur noch 2 Reservisten von den Garde
Kürassieren aus Berlin. In Flensburg
wurden wir von vielen streikenden
Arbeitern für zugereiste Werftarbeiter
gehalten, wahrscheinlich, weil wir einen
Koffer bei uns trugen. In einer Wirt-
schaft haben wir uns noch vor den
Eintritt in die Kaserne tüchtig ge-
stärkt mit einem Beefsteak. In
der Regimentsschreibstube wurde Bolland
gleich von Loock + mir getrennt.
Bolland kam nach dem I.
Bataillon u. wurde der 4. Komp.
zugeteilt. Loock + ich kamen
dann auf die Bataillonsschreibstube.
Loock wurde dann nach der 8. Komp.,
ich nach der 5. Komp. geschickt.
Nach 1 Std. trafen Loock + ich

uns wieder auf der Stube 109 III. Stock,
wo wir beide das ganze Jahr über
hausen werden. Außer uns wohnen
noch 7 andere hier, davon sind 6 Lehrer,
oder wie sie uns hier nennen
Schulamtskandidaten. Außer einem
sind wir also nur Lehrer. Der übrig
bleibt ist Maler, ein kleiner feiner
Kerl, der mich an Karl Schlüsselburg
erinnert. Von den 8 Lehrern sind 4 'alte
Knochen', d.h. sie sind keine Rekruten,
sondern schon seit Ostern im Dienst.
Diese 4 sind alle Schles=
wig-Holsteiner, was Ihr schon an
den Namen erkennen könnt.
Sie heißen Petersen, Westergaard,
Henrichsen + Detlefsen. Die
beiden ersten sind in der letzten
Woche Gefreite geworden. Die beiden
anderen wahrscheinlich zum Geburts=

tag der Kaiserin am Sonnabend.
An diesem Tage sollen wir vereidigt
werden. Aber unseren Tageslauf
werde ich im nächsten Briefe
schreiben. Eine Kiste zum Aufbe=
wahren des Zivilzeugs braucht ihr
mir nicht zu schicken. Ich habe
meinen Anzug in den Koffer
gepackt + diesen beim Kammer=
serganten abgegeben. Eßwaren, Butter,
Schmalz u. sonst. und Geld braucht
Ihr mir noch nicht zu schicken.
Meine Adresse ist.
An den Füsilier Schulamts=
kandidat
Rieck, 5. Komp.
Füsilier Regiment No 86
in Flensburg.

Viele Grüße
von Eurem Otto

In der 5. Komp.
ist noch ein
anderer Rieck.
Sein Vater ist ein
Mitinhaber der Firma
Gebr. Rieck, Amfinkstr.
Deshalb dürft ihr
Schulamtskandidat
nicht vergessen.
Grüßt bitte
Familie Wult

© Horst Decker


   


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