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Brief des Soldaten P. Taprogge von der Ostfront

                     Osten, 4.1.41

          Meine Lieben!
      Am 1. Januar habe ich die ersten beiden Briefe
von Euch erhalten. Ich habe mich sehr gefeut. Wir
sind jetzt schon auf dem Wege nach Deutschland.
Heiligabend haben wir noch einmal schön gefeiert.
Jeder bekam 30 Zigaretten, 2 Tafeln Schokolade und einen
großen Rosinenstuten. Vorher konnten wir noch eine
Flasche Likör und Zigaretten kaufen, deshalb wurde es
anschließend noch sehr gemütlich. Wie war es denn bei
Euch? Ich habe doch viel an Euch denken müssen. Am
1. Weihnachtstag früh war die Abfahrt. Wir sollen eine
Strecke von 250 km zurücklegen. Dafür haben wir
3 Tage gebraucht. Unterwegs haben wir in Privat-
quartieren geschlafen. Einmal flogen die Russen über
uns weg auf der Fahrt. 3 km vor uns sahen wir
dann den Dreck hochgehen. Auf Heiligabend gaben
sie uns auch ein Abschiedkonzert in Mari.g.d . In
hundert Meter Höhe flogen 3-4 Flieger. An dem Tag
sollen 50 Flieger abgeschossen worden sein. Wie Ihr
schreibt, ist bei Euch ja Ruhe eingetreten. Ich war
einer von den ersten die hier ankamen. Viele liegen
noch auf der Strecke. Es sind ja auch alles bloß halbe
Wagen. 2 Tage später kommen die nächsten. Einige
mit erfrorenen Füßen. Das ist für uns das schlechte
Los, auf solcher Fahrt und dann nicht weiter können.
Das Pech hätte ich auch bald gehabt. Ich wurde von
der Fahrbahn geschleudert und liege schräg im Graben.
Da habe ich erstmal gefrühstückt. Nichts war zu

sehen als Schnee und immer wieder Schnee. Nach
einer guten Stunde kommt ein Russenwagen vorbei.
Den habe ich vorgespannt und bin dann glücklich
rausgekommen. Nach 30 km kommt die erste
Hütte, da treffe ich dann auch die anderen wieder.
Nun liegen wir hier im Ort und warten bis
alle beisammen sind. Dann geht es noch eine
Strecke über 100 km. Da werden wir dann auf
die Bahn verladen. Wenn nur die Bahnfahrt
schon zu Ende wäre. Es dauert ja immer länger
als man glaubt. Deshalb, lieber noch einmal schreiben.
Jetzt dürft Ihr aber nicht mehr an meine Adresse
schreiben. Das wird uns wohl alles nachgeschickt,
aber in der Zeit bin ich wohl da. Ich will sofort
nach Euch anrufen, wenn wir dort sind. Bis
dahin seid nun herzlich gegrüßt von
           Eurem
               Paul


© Horst Decker


   


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