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Brief des Soldaten P. Taprogge von der Ostfront, aus Ostpreußen

                     Osten, 5.12.41

          Meine Lieben!
      heute habe ich mal wieder etwas Zeit, Euch einige
Zeilen zu schreiben. Ihr dürft mir nicht böse werden,
wenn es mal etwas länger dauert, denn ich
muß manchmal bis in die Nacht hinein fahren.
Bis heute habe ich Kurier gefahren. Nun bekomme
ich einen anderen Posten. Es war wirklich nur
die Probe, wie weit man zu gebrauchen ist.
Meinen Wagen habe ich schon einem anderen
übergeben. Ab morgen bekomme ich einen Schwe-
reren. Und werde dann wahrscheinlich Cheffahrer.
Es tut mir eigentlich leid, daß ich ihn abgeben
mußte, denn er hat mich nie im Stich ge-
lassen. Es war der einzige von allen, der
des morgens ansprang. Hoffentlich ist es bei
dem neuen auch so. Unser Major ist auch
versetzt, als Chef haben wir nun einen Haupt-
mann bekommen. Es ist des Nachts schon immer
sehr kalt hier. Für heute Nacht ist schon 30 Grad
Kälte vorausgesagt. Ausgerechnet ich habe wieder
Wache. Wir haben eine gute Winterbekleidung
bekommen. Als Kraftfahrer bekommt man noch ei-
nen schönen Pullover, der gefällt mir sehr gut.
Oft schon, auch heute morgen, habe ich Urlauber
zum Zug oder Flugplatz gebracht. Wenn ich
Glück habe, komme ich bis März-April auch
noch dran, denn später ist wieder Urlaubs-
sperre. Solange dauert es aber bestimmt noch.

Vorgestern Nacht war ich schon einmal auf dem Weg
zur Front. Doch auf der Strecke fing es leicht zu
regnen an. Alle zwei Minuten waren die Scheiben
vollständig vereist. Da blieb uns nichts anderes als
der Rückzug. Das war eine kleine Todesfahrt, denn
nichts war zu sehen und die schlechten Straßen noch
dazu. Eigentlich schade, ich wollte noch gern erleben,
wie es da vorn zugeht. Es ist ja nicht mehr so
weit, denn ein gutes Stück sind sie ja zurück ge-
kommen. Sonst ist noch alles in Ordnung. Es geht
mir gut, was ich mir ja von Euch annehmen
kann. Nun kommt das Essen. Ich habe in diesen
letzten Tagen 6 Pfund zugenommen. Fragt aber nur
nicht, wieviel ich esse. Alle schütteln die Köpfe,
wenn es Essen gibt. Geld habe ich auch wieder,
denn viel haben wir nachbekommen. Man braucht
aber keins. Wenn nicht alles beim Kartenspielen
verloren geht, kann ich hier weiter sparen. Nun
noch etwas, ich weiß nicht, wie lange es mit der
Post dauert. Zu Weihnachten wünsche ich Euch das
schönste und allerbeste. Laßt Euch vom Christkind
für mich etwas mitbringen. In Gedanken bin
ich doch bei Euch. Schreibt mir nur einen recht
langen Brief. Nun muß ich schließen, denn ich muß
auf Posten ziehen. Seid von ganzem Herzen
                      gegrüßt von Eurem
                      Paul.
           Vergeßt die anderen nicht
           zu grüßen bes. Onkel Aloys


© Horst Decker


     


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