profilm.de Zeitzeugenberichte

Brief des Bruders Paul an die Familie
des Soldaten Franz Schwedat

Der Brief ist mit Nr. 4 markiert.

Russland, den 5.1.1942
        Lieber Bruder, liebe Schwägerin
Euer Weihnachtspäckchen habe ich am 29.12.41 erhalten.
Meinen allerbesten Dank. Der Kuchen mit den kleinen gefüllten
hat sehr gut geschmeckt. Wenn man weiss, wie schwer es ist
was in Berlin zu erhalten, muss man sich immer wieder
wundern, wo Ihr es her habt.
Ich bin noch immer im Osten am Donez, 12km
der grossen Stadt Slawjansk nördlich. Unser Winterquartier
ist so echt russisch. In Zivilhäuser, die Leute mussten zusam-
menziehen.
Mir geht es persönlich ganz gut. Bin bei unserem Abteilungs-
adjudanten und Ordonanzoffizier als Melder. Da wir uns
sehr gut verstehen, wirtschaften wir so zusammen. Richten
es mit dem Burschen so ein, das wir beide nie zu kurz
kommen. Daher auch seine Wünsche, die ich Euch
geschrieben habe. Die Gelegenheit ist günstig und die Zeit
ist auch da. Der Herd ist den ganzen Tag in Feuerung.
Die Verpflegung ist sehr wenig. Es ist kaum zu glauben,
meistens gibt es nur warm Essen, das aus Graupen, Erbsen,
Erbsen, Graupen, Graupen, Erbsen besteht. Vor Weihnachten
sah es ganz schlimm aus. Es hatte nämlich ein Tauwetter
eingesetzt, so dass alles auf der Bahn lag, und wir durch
den Dreck nichts rankriegten. An eine Weihnachtsstimmung
war garnicht zu denken. Trotzdem haben wir nach drei Wochen
durch plötzlichen Frosteinsatz, am Heilig Abend Post erhalten.
Es war eine Menge. Da hättet Ihr müssen in dieser vorgerückten
Feierstunde die Soldatenherzen schlagen hören.
Man muss trotz allem schlechten immer wieder
die Leistungen des Nachschubs bewundern. Durch dauernde
Störung der Russen braucht Munition. Die Verpflegung, Post

muss rangebracht werden. Motore, Wagen, Pferde werden
ausgewechselt. Gehen weg und kommen von Deutschland.
Außerdem werden in ganz kleinem Masstab Urlauber geschickt.
Ich selbst habe keine Hoffnung. So wollen wir dann mit
allem zu frieden sein, denn was getan werden kann, wird gemacht.
Denn im Frühjahr soll alles wieder so einsatzfähig stehen,
wie am 22. Juni 1941. Denn dieses bolschewistische Mordgesindel
muss ausgerottet werden. Es wäre ja unvorstellbar, wenn diese
Bestien vielleicht ein Jahr später ihre tausende von Panzern
und Flugzeuge und die Armee mit aufgehetzten Millionen
von Menschen gegen uns angetreten wären.
Neujahr habe ich in soldatischer Pflichterfüllung
erwartet. Bin grade kurz vor 24 Uhr auf Wache gezogen.
Anstatt aber die Friedensglocken zu hören, vernahm man
das nahe knattern der MGs., das Dröhnen der Geschütze.
Habe vernommen, dass die Russen der Meinung waren,
uns besoffen zu finden, denn seit einer Stunde vorher
befanden sie sich im Angriff. Die harten Gefechte hielten
bis Neujahrmittag an. Wie immer abgeschlagen mit
blutigen Verlusten für den Feind. Verwundete Russen kamen
dann an mit vollkommen verfrorenen Füssen usw. Haben
nämlich bis zu 42 Grad Kälte gehabt.
Inzwischen bin auch ich mit dem E.K. II.Kl. aus-
gezeichnet worden. Sonst nichts Neues.
In der Hoffnung, dass Ihr gesund seid und
es Euch gut geht, sage ich nochmals meinen besten
Dank, auch für den Brief vom 6.12.41, den ich am
2.1.42 erhielt.
Es grüsst Euch nun aufs herzlichste
Euer Bruder und Schwager,
                      Paul
Ganz vergessen, dass von der Truppe an Weihnachten 1/2 Ltr. Flasche Sekt,
3 Tafeln Schokolade, 20 Zigaretten und einige Keks.
Sylvester war nicht einmal eine Ansprache. Aber sie hatten für jeden 11 Raderkuchen gebacken.

(Anm: In dem Brief befindet sich viele Fehler. Zur besseren Lesbarkeit wurden einige Kommas ergänzt und teils die 'Groß-und Kleinschreibung' verbessert. Fehler, die die Lesbarkeit nicht beeinträchtigen, wurde teilweise belassen, da sie eine eigene Aussage haben.)

© Horst Decker

die Auflistung erfolgt in zeitlichen Abständen