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Wörtliche Wiedergabe des Buches 'Wiesbadener Kriegspredigten 1914'


(Die Seiteneinteilung der Texte blieb zugunsten der besseren Lesbarkeit unberücksichtigt.)



Inhalt

Mit Gott in den Krieg!
2. Mose 17,8-13: Pfarrer Hofmann
Am 1. Mobilmachungstag, 2. August 1914
7
Gott will es !
2. Mose 20, 2-3: Pfarrer Lieber
Am Kriegsbettag, 5. August 1914
16
Unser Wille zum Opfer
2. Matthäus 26,39: Pfarrer Dr.. theol. Schlosser
24
Die Grundlagen unserer Kraft
1. Petrus 2,17: Pfarrer Merz
35
Sorgenvoll oder getrost?
2. Matthäus 6, 24-34: Pfarrer Schüßler
47
Das Geheimnis des Mutes
2. Korinther 4,16: Dekan Bickel
57
Not Gottes
2. Matthäus 10,34: Pfarrer Philippi
70
Heimsuchung Gottes
Hebräer 12,6 und 11: Pfarrer Veesenmeyer
Erste Predigt nach langer, schwerer Erkrankung
77
Ausblick
Jesaias 19,24 und 11: Pfarrer Beckmann
92
Ein Stück deutsche Zukunft!
2. Matthäus 26,39: Pfarrer Dr. Meinecke
Bei Beginn des Konfirmationsunterrichts, 25. Okt. 1914
97
Unsere alterprobte Kampfeslosung
1. Korinther 16,13: Pfarrer Grein
Am Reformationsfest 1914
110
Licht im Todesdunkel
Psalm 39, 8: Pfarrer Dießl
Am Totensontag 1914
120
Kreuze auf Heldengräbern
Johannes 15,13 Römer 8,37: Pfarrer Veidt
Feldpredigt am Totensonntag 1914 bei der
Gefallenen-Gedächtnisfeier in den Stel-
lungen der 42. Reserve-Infanterie-Brigade
24

Vorwort


        Das Kriegsjahr 1914 geht zu Ende, das Jahr,
so reich an Sieg und Opfer, an Treue und Tränen.
Die große Zeit hielt uns eine gewaltige Predigt;
wir brauchten nur zu lauschen und in Worte zu
fassen, was wir vernahmen; wir durften das, was
alle erlebten, in gemeinsamer Andacht mit dem
Licht der Ewigkeit beleuchten und dadurch vielen
helfen zu tieferem Erleben der Zeit; was Tausende
fühlten, wofür sie einen klaren Ausdruck suchten,
durften wir ihnen sagen. Es gehört zur Größe
unseres Amtes, daß uns in weltgeschichtlicher Stunde
dieser Dienst am Vaterland anvertraut war.
       Das gesprochene Wort verhallt und wird ver=
gessen, das gedruckte wirkt fort. So widmen wir
denn dieses Büchlein der Gemeinde für stille Stunden
daheim, zur Erinnerung an gemeinsame Beugung
und Erhebung im Gottesdienst, als Hilfe zum
besinnlichen Nacherleben der ernsten Zeit, die unser
war und unser bleibt. Wir hoffen, daß es auf
manchen Weihnachtstisch gelegt, vielleicht auch als
Gruß aus der Heimat ins Feld gesandt wird.
       Die gegenwärtige Heldenzeit unseres Vater=
landes ist so gewaltig, daß es dem einzelnen nicht
gegeben ist, ihre ganze Fülle zu erfassen: Was
dem einen groß und bedeutsam wurde, muß durch
das ergänzt werden, was den anderen bewegte.
Erst die Vereinigung der mannigfaltigen Eindrücke
verhilft zum Gesamteindruck. Das gilt auch von
der Arbeit der Kirche. Wir bringen daher von
jedem Pfarrer eine Predigt, und zwar aus der Zeit
vom August bis Ende November dieses Jahres.
Die Auswahl der Themen war den Verfassern
überlassen; nur sollten die Grundgedanken sich
einigermaßen zusammenordnen. Leider konnten wir
wegen der Kürze der Zeit von Pfarrer Kortheuer,
der als Feld-Divisionspfarrer in Frankreich wirkt,
eine Predigt nicht mehr erhalten.

       Die evangelischen Pfarrer Wiesbadens

Seite 7

Mit Gott in den Krieg!

(Am 1. Mobilmachungstag, 2. August 1914)

    2. Mose 17,8-13: Da kam Amalek und stritt wider Israel. Und Mose sprach zu Josua: Erwähle uns Männer, zieh aus und streite wider Amalek; morgen will ich auf des Hügels Spitze stehen und den Stab Gottes in meiner Hand haben. Und Josua tat, wie Mose ihm sagte, daß er wider Amalek stritte. Mose aber and Aaron und Hur gingen auf die Spitze des Hügels. Und wenn Mose seine Hand emporhielt, siegte Israel; wenn er aber seine Hand niederließ, siegte Amalek. Aber die Hände Moses wurden schwer; darum nahmen sie einen Stein und legten ihn unter ihn, daß er sich draufsetzte. Aaron aber und Hur stützten ihm seine Hände, auf jeglicher Seite einer. Also blieben seine Hände fest, bis die Sonne unterging. Und Josua dämpfte den Amalek und sein Volk durch des Schwertes Schärfe.

Freunde! Ich habe die Empfindung, als müßte ich sagen: Wir wollen erst noch eine Weile still beisammen sitzen und schweigen. Wenn man vor etwas ganz Großem, vor etwas Furchtbarem steht, ist man doch still - und ernst - und, setze ich gleich hinzu, getrost! So ernst haben uns die Kirchenmauern noch nie gesehen. Aber ebenso notwendig ist es auch, daß sie uns getrost sehen. Wenn ich je meinen Gott gebeten habe, er möchte mir es schenken, euch mit seinem Wort getrost zu machen, dann heute. Wir gehen in ein schweres Gewitter. Vor uns türmen sich die Wolken übereinander, die sich über uns, nein über ganz Europa zu entladen anschicken. Doch, was sage ich? Ein Gewitter ist im Anzug? Ich muß sagen: Gott der Herr reckt seine gewaltige Hand aus über uns. Ob zum Gericht? Nein! Wir fallen ihm heute in den Arm und bitten: zum Segen! zum Segen!

    Vor hundert Jahren, 1813, schrieb der alte Niebuhr, der Gedichtschreiber: "Jeder, er sei hoch oder niedrig, gehe so friedlich, fromm und stark in den Krieg." Deutsche, das gilt auch jetzt. Warum ziehen wir in den Krieg? Um zu erobern? Um zu plündern? Nein und abermals: Nein! Wir sind friedliche Leute. Wir hassen niemanden, keine Russen und keine Franzosen. Aber sie zwingen uns den Krieg auf. Es ist ja freilich nicht von gestern her, was wir jetzt erleben. Wie lange schon reden unsere Feinde davon, daß sie uns einkreisen wollen, daß sie eine Politik verfolgen, die uns an die Wand drücken soll. Jetzt führen sie's aus! In unserem Nachbarhaus ging der Brand los, in Österreich. Dem Nachbarfürsten warfen sie Bomben ins Haus und mordeten ihn. Das soll geschehen dürfen? Das wären chinesische, aber nicht europäische Zustände. Wir sagen "Ja" zu der Notwehr, die Österreich ergreift. Wir verteidigen nicht Völker-, sondern Menschheitsrechte. Sollte man es für möglich halten, daß es in der Welt nur ein einziges Volk gäbe, welches das Mördervolk der Serben in Schutz nimmt? Doch! Rußland entblödet sich nicht, es zu tun. Und damit, mit dem Anfeinden unseres Bundesgenossen, will man uns treffen. Und man trifft uns auch! Wir werden in einen Krieg hineingezogen, in dem wir um unsere Existenz, um Sein oder Nichtsein, kämpfen müssen.
Gut, nehmen wir den Kampf auf! Und zwar: jetzt, - nicht erst in zwei Jahren! Es ist zwar furchtbar, nach einem Weltfrieden ein Weltkrieg. Aber hinein! Kopf hoch und hinein mit Gott! Wir haben eine gerechte Sache! Wir haben ein gutes Gewissen! Wer soll Europa beherrschen? Russische Mörderpolitik mit Lug und Ränken oder die Politik der Gerechtigkeit und Ehrlichkeit? Freunde, laßt es einmal herauskommen bei euch: So einig war unser ganzes Volk noch nie in seiner Auffassung von der Notwendigkeit und Gerechtigkeit und Heiligkeit eines Krieges! Das macht mich tieffroh in diesen ernsten Tagen. Und das verdanken wir, soweit Menschen in Betracht kommen, in erster Linie unserer Regierung mit dem Kaiser an der Spitze und ihrem ruhigen und entschlossenen Handeln. Unser geliebter Kaiser ist die leibhaftige Verkörperung des Friedens nun schon 26 Jahre. Er ist in der Nachgiebigkeit bis zum Äußersten gegangen. Aber nun erheischt es die Ehre und die Existenz unseres Volkes, daß wir das Schwert ziehen. Wir handeln in Notwehr. Darum das Schwert heraus und hinein in die Schlacht!

    Aber wie gehen wir in die Schlacht? Darauf kommt alles an. Gehen wir hinein mit Pochen auf unsere Kraft, auf unser Können? Nein! Eine andere Epfindung beherrscht uns. Gottes Hand ist ausgestreckt über unser Volk. Und wenn Gott sich aufmacht und redet, erschrickt der Mensch. Dann merken wir, daß wir geprüft werden, daß wir innerlich gewogen werden. Ob wir nicht zu leicht erfunden werden? Ich denke, bei uns allen regt sich das Gewissen und spricht von unserem Undank gegen Gott. Dreiundvierzig Friedensjahre sind ins Land gegangen; haben wir sie dankbar genutzt? Ist nicht mancher hier, der sich anklagen muß: ich habe Gott vergessen? Gestehen wir es nur: es ist viel faules Holz am Baum unseres deutschen Volkes. Wenn der Sturm durch die Bäume fegt, knistert's und bricht ab, was morsch ist. Deutsche, es soll abbrechen! Ja - Gott ist der heilige Rächer alles Unrechtes. Darum beugen wir uns jetzt vor ihm, dem Heiligen. Und tun Buße. Und halten Einkehr. Und Umkehr. Und - Heimkehr! O meine Freunde, nun darf der Jubel aus meinem Herzen herauskommen, daß ich heute, gerade heute beim Beginn der Schlacht das Evangelium von der Gnade Gottes verkünden darf. Ihr Leute, Gott vergiebt! Jesus ist am Kreuz gestorben für uns und tilgt unsere Schuld! Jesus, dein Erlöser, steht heute vor dir, mein deutsches Volk, und macht seine Arme weit auf gegen dich und lädt dich ein: Komm heim! Komm heim! Ihr Glieder der Luthergemeinde, Martin Luther hat euch den freien Zugang zum gnädigen Gott in Christo Jesu verkündigt. Wacht auf! Kehrt um! Kommt heim! Gott vergibt und schont! Ihr Männer, nun darf keiner von uns ins Feld ziehen ohne Vergebung seiner Sünden! Nun darf keiner in den Krieg, ohne den Frieden des Herzens zu haben! Heute muß ein großes Suchen des Herzens Gottes und ein inniges Flehen um seine Barmherzigkeit unter uns seinen Anfang nehmen!

    Und dazu füge ich ein Zweites. Jetzt bringen wir Opfer! Ich will lieber sagen: Gott verlangt jetzt Opfer von uns. Das ist nichts Angenehmes, sondern hart. Aber laßt's hart sein, nur so erreichen wir Großes! Es war in Süd-West während des furchbaren dreitägigen Ringens bei Groß-Nabas in den ersten Tagen des Januar 1905. Einer Abteilung unserer Soldaten war es zugefallen, eine fünf- bis sechsfache Übermacht des Feindes aus ihrer Felsenfestung zu vertreiben, welche uneinnehmbar erschien. Major von Nauendorff, der Kommandeur unserer Artillerie, war gleich beim Beginn des Gefechtes durch einen Schuß in den Unterleib schwer verwundet worden. Drei Tage lang hatte er in der glühenden Hitze gelegen, gegen die alles durchdringenden Sonnenstrahlen nur geschützt durch eine Zeltbahn. Die Qualen des Durstes waren entsetzlich. In seiner Not ruft plötzlich der sterbende Offizier: "Tausend Mark für einen Schluck Wasser!" Aber keine Summe der Welt kann hier Labung schaffen. Unter den Leichtverwundeten, die sich nur verbinden ließen, um dann in die Schlacht zurückzukehren, befand sich auch der Sergeant Wehinger von der 5. Batterie. Als er seinen Major so leiden sieht, da reicht er ihm seine Feldflasche, in der er - der Reiche - noch Rotwein hatte. Hastig griff der Verschmachtende danach, aber plötzlich wehrte er ab und sagte: "Sie brauchen das nötiger als ich; Sie müssen noch zu Ihrem Geschütz, mit mir ist's doch bald aus." -

Freunde, wozu erzähle ich das? Nun, so wie dieser deutsche Major machen wir es jetzt alle! Wir bringen Opfer! In unserem Text spricht Moses zu Josua: "Zieh aus und streite wieder Amalek!" Ihr deutschen Männer und jungen Männer, zieht aus in die Schlacht! Und opfert für Weib und Kind, opfert euch für Haus und Vaterland! Ihr Frauen und Jungfrauen, seid nicht kopflos! Diese Tage waren wir kopflos, aber nun sind wir fest. Jetzt wird kein Laden mehr gestürmt! Wir in der Heimat kommen zuletzt, zuerst kommt unsere brave Armee! Wir sorgen nicht für den anderen Tag, wir sorgen für Größeres, fürs Vaterland! Und dem bringen wir Opfer, alles zum Opfer, Gut und Blut. Unser Leben gehört nicht uns. Von diesem Augenblicke ab geloben wir's: Unser Leben gehört Gott, gehört dem Heiland, der mit seinemBlut uns erlöst; unser Leben gehört unserem geliebten deutschen Vaterland. Und dem bringern wir Opfer! Das wird schwer. Das wird dunkle Wege geben. Der Erste, der jetzt sein Leben ließ, ist der Erzherzog-Tronfolger von Österreich mit seiner Frau. Wir bedauern seine Kinder und sagen: arme Kinder! Aber bedenkt: der Erzherzog war nicht nur Vater, sondern auch König. Und Könige müssen königliche Opfer bringen. Und ich frage, ich werfe jetzt schon die Frage auf: hat dieser Fürst nicht vielleicht mit seinem Tode seinem Volk mehr genutzt als mit einem langen Leben? Darum noch einmal: Deutsche, jetzt bringen wir Opfer!

    Und noch ein Drittes. Von Gott hängt der Sieg ab, von Gott allein und seiner Gnade. Darum machen wir es, wie unser Kaiser gestern gesagt hat: Wie gehen in die Kirche und erbitten den Sieg von Gott. Von heute an steht unsere Lutherkirche immer den ganzen Tag offen. Und Lutherleute: Wir beten! Das heißt: Wir erringen den Sieg erst innerlich, wenn wir in der Schlacht kämpfen. In unserem Text steht uns ein wunderbares Bild vor Augen. Unten im Tal tobt die Schlacht, die männermordende Schlacht. Und oben auf dem Berg stehen drei alte Männer und beten, - beten um den Sieg. Und zwei, Aaron und Hur, unterstützen den Dritten Moses. Deutsche, das machen wir jetzt auch so. Ihr Männer, ihr zieht in die Schlacht! Gott mit euch! Und wir, die zu Haues bleiben müssen, wir bilden das drittte Aufgebot, den Landsturm, der den Himmel stürmt und betet! Von morgen an kommen wir alle Abende um halb 9 hier zusammen zur Kriegsbetstunde und beten. Ihr Deutsche, jetzt gilt's: geglaubt und gebetet! Beterscharen, gruppiert euch! Ihr Hinausziehenden, so sind wir immer im Herrn miteinander verbunden, so sind wir eins! Wir stehen hinter euch! Gott kann alles, Gott kann auch den Sieg geben. Er kann den Feinden gebieten: Bis hierher und nicht weiter! Das hast du, mein deutsches Volk, in deiner Geschichte doch oft genug erlebt - beim dritten Napoleon, beim ersten Napoleon. O, es war doch gut, daß wir im vergangenen Jahre die Jahrhundertfeier von 1813 hatten. Was hast du für einen Gott, mein Volk! Nun geh' getrost auch in diesen Krieg! Auch aus dieser Not wird dir dein Gott Segen erwachsen lassen.

    Es war am 27. März 1813. Im Lustgarten zu Berlin standen die preußischen Leibgrenadiere vor Yorck, ihrem Führer. Es sollte in den Freiheitskrieg ausgerückt werden. Da rief Yorck seinen Grenadieren zu: "Von diesem Augenblick an gehört keinem von uns mehr sein Leben. Ein unglückliches Vaterland sieht mich nicht wieder." Und aus den Reihen kam die Antwort: "Das soll ein Wort sein!" - Freunde, das soll auch unser Wort sein, das geloben wir auch. Von diesem Augenblick an gehört keinem von uns mehr sein Leben! Es gehört der Familie, die uns erzog, es gehört dem Land, das uns getragen, es gehört dem Volk, das für uns gearbeitet hat, es gehört dem Heiland, der für uns in den Tod gegangen, es gehört dem Gott, der das Leben uns gegeben. Das ist eine große Stunde. Gut, seien wir ein großes Geschlecht! Wir werden auf die Probe gestellt. Gut, lassen wir uns erproben! Ich weiß, Freunde, ich weiß: Jetzt beginnt das Schwerste: das Abschiednehmen in den Familien. Ihr Männer, seid getrost! Ihr Frauen, haltet euch tapfer! Kommt, wir machen einander Mut. Wir beugen uns in Demut vor Gott. Wir opfern. Wir beten. Und --- hinein in den Krieg! Hinein in die Schlacht! Ein feste Burg ist unser Gott!
    Mit Gott für König und Vaterland!

    Mit Gott für Kaiser und Reich!
    Amen.



Seite 16

Gott will es!

(Am 1. Kriegsbettag, 5. August 1914)

    2. Mose 17,2-3: Ich bin der Herr, Dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.

Liebe Gemeinde! Zu einem außerordentlichen, allgemeinen Bettag hat unser Kaiser das deutsche Volk geladen, ehe unsere Heere, unsere Gatten und unsere Söhne hinausziehen in den furchtbaren aufgezwungenen Krieg. Ja. aufgezwungenen Krieg, das ist die Wahrheit. Angezettelt und aufgezwungen durch Mord, Verbrechen und schnöden Verrat. Das dürfen wir sagen mit gutem Gewissen: Wir haben diesen Krieg nicht gewollt. Unser Kaiser hat ihn nicht gewollt. In 26 jähriger Regierung hat er allen, die sehen wollen, den Beweis geliefert, daß er nichts wollte als den Frieden, den Frieden für sein Volk und den Frieden für die Welt. Und unser deutsches Volk hat diesen Krieg nicht gewollt. So waffenstark und kriegstüchtig es ist, es ist friedliebend bis auf die Knochen. Das wissen wir. Denn wir selbst sind dieses Volk. Gott weiß es, wie viel lieber wir unsere Söhne und unsere Männer, die Ernährer unserer Kinder, bei uns daheim behalten hätten, wie viel lieber wir die Sichel bei der friedlichen Arbeit sahen in unseren gerade jetzt so gesegneten Gefilden als die blutige, männermordende Arbeit der Gewehre und Kanonen. Ja, aufgezwungen ist uns dieser Krieg, angezettelt und vorbereitet von langer Hand.
Warum? Wir waren vorangekommen, hatten Macht und Einfluß und Wohlstand gewonnen in der Welt, und das gönnte man uns nicht. Herunter sollten wir von der Höhe, zerbrochen und vernichtet werden zur alten Ohnmacht.
      Freunde, bei aller Begeisterung, bei aller Opferfreudigkeit, die, Gott sei's gedankt, unser ganzes Volk durchglüht und zu einem großen, gewaltigen Ganzen zusammenschweißt mit einem Herzen und einer Seele, es liegt doch ein tiefer, schwerer Ernst über unsere Seelen. Wir empfinden es alle: Das ist die Schicksalsstunde für unser junges deutsches Reich, das ist die Schicksalsstunde für das Germanentum in Europa und mehr noch, es ist die Schicksalsstunde für die christliche Kultur und Zivilisation Europas, die bedroht ist von der Barbarei des Verbrechens, der Gewissenlosigkeit, des Wortbruchs und des Verrats. Darum haben wir ein gutes Gewissen über diesen Krieg. Wir dürfen ihn führen, denn wir müssen ihn führen. Es geht um Sein oder Nichtsein, es geht um die Stellung und Aufgabe des Deutschtums in der Welt, es geht um den Bestand der wirklichen, echten und tiefen Kultur. Wir sind keine Chauvinisten, wir glauben nicht, daß andere Völker nichts können und nichts bedeuten. Aber wir haben auch die Überzeugung, die erwachsen und genährt ist an unserer Geschichte, daß Gott mit unserem deutschen Volke etwas will, daß er auch ihm eine Bedeutung und Aufgabe gegeben hat für die Menschheit. Diese Aufgabe soll es erfüllen, und es kann sie nur erfüllen, wenn es frei und stark und unabhängig ist. Darum nochmals: wir dürfen diesen Krieg führen, denn wir müssen ihn führen.
Gott will es. Es ist kein Krieg, vor dem die Kronen wissen, es ist ein Kreuzzug, 's ist ein heil'ger Krieg.
      Gemeinde, Feunde, Volksgenossen, deutsche Brüder und Schwestern, unser Gott redet zu uns in dieser ernsten schweren Zeit. Ich bin der Herr, dein Gott, der dich herausgeführt hat aus Schmach und Elend, aus Zerrissenheit und Ohnmacht, zu Kraft und Freiheit. Denke daran, du deutsches Volk, was der Allmächtige kann und was er an dir getan hat. Vor 100 Jahren lagst du am Boden, zertreten von französischem Übermut. Und über alles Denken und Verstehen der Menschen hat er dich wieder aufgerichtet. Dann hat er dich einen Weg geführt, wie ihn keiner geahnt und gedacht, einen Weg voll Güte und Segen sondergleichen. Sollte er es getan haben, um uns dann um so tiefer zu stürzen, um so gründlicher zu vernichten?
Nein und tausendmal Nein! Wir glauben an den ewigen Gott und sein Weltregiment, wie glauben an die Aufgabe, die er unserem Volke gegeben hat, und darum glauben wir an die Zukunft unseres Volkes. Gott mag uns durch schwere Not und tiefes Dunkel führen; aber der Gott, der unser Volk aus der Not des dreißigjährigen Krieges wieder aufgerichtet hat, der einem Friedrich dem Großen den Sieg gegeben hat gegen eine Welt von Feinden, der wird uns nicht versinken lassen. Denke daran, du deutsches Volk, was der Allmächtige kann, denke daran.
      Aber denke auch daran, was du ihm schuldig bist und was du ihm schuldig geblieben bist. Gott redet heute zu uns, zu unserem Volk, zu dir und mir von unserer Sünde und Schuld und unseren vielen Versäumnissen. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben; und wir haben so oft andere Götter neben ihm aufgerichtet und ihnen mehr gedient als ihm. Wir sind mächtig geworden und genußsüchtig und haben die alte Einfachheit und Zucht der Sitten vergessen und haben's oft geduldet, daß Sittenlosigkeit und Zügellosigkeit in Wort und Bild und Tat unser Volk vergiftet und an seinem Mark fraßen, und haben's geduldet und mitangesehen, wie ausländische Moden zu uns kamen und aller Zucht und Sitte Hohn sprachen. Gott redet zu uns durch diese ernsten, schweren Zeiten, daß wir uns darauf besinnen, daß wir eine Seele haben und was ihr frommt. Einkehr und Umkehr, das ist der Weg des Heils, das ist die Bedingung der Hilfe unseres Gottes. Einkehr und Umkehr, das ist die Predigt des ersten Gebots an diesem Tag. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben, treuer als bisher wollen wir daran arbeiten, daß dieses Gebot in unserem Volke lebt und unser Volk segnet, und wollen wir mitarbeiten, daß aus dieser schweren Zeit ein besseres, frömmeres, innerlicheres Deutschland hervorgehe.
      Freunde, jetzt geht der Abschied durch unsere Häuser und unsere Familien. Es ist kaum ein Haus, kaum eine Familie, die nichts davon weiß, und unsere Herzen sind zum Brechen schwer. Aber wir wollen und müssen hindurch und dürfen nicht erliegen unter der Last des Schmerzes. Was heidnische Mütter und Väter gekonnt haben, das müssen christliche Mütter und christliche Väter ers recht können, ohne Murren und Klagen ihr Liebstes geben, wenn es um das Vaterland geht, um die Volksgemeinschaft, in die unser Gott uns gestellt und in der er unsere Aufgabe uns zugewiesen hat. Was uns am vergangenen Sonntag hier gesagt ward, das wollen wir heute noch einmal sagen: Das Leben unserer Söhne, das Leben unserer Gatten, das gehört in solchen Zeiten nicht mehr uns, das gehört unserem Volk, das gehört unserem Gott, der nicht will, daß wir uns knechten lassen. Freunde, darin gibt's nur einen Gedanken unter uns und nur einen Willen: wir müssen hindurch, soviel Feinde sich gegen uns stellen. Aber wir kommen nur hindurch, wenn wir entschlossen sind zum letzten Opfer, entschlossen, alles daran zu setzen, den letzten Hauch, die letzte Kraft.
      Liebe Gemeinde, viel Trauer, viel Herzleid wird die nächste Zeit über viele, viele unter uns bringen. Viel schwarze Kleider wird man bald sehen und viel bleiche Gesichter und verweinte Augen. Aber laßt uns stark sein, laßt uns den Kopf hoch halten und die Tränen aus den Augen wischen. Wir wollen unsern Lieben, die hinausziehen, den Abschied nicht schwer machen. Wir brauchen nicht trostlos zu werden und wir wollen nicht trostlos werden, denn wir kennen den Gott, der auch über unsern Kämpfern draußen wacht und denen, die getreu sind bis zum Tode, die Krone des Lebens gibt.
      Liebe Gemeinde, es geht doch etwas Großes durch diese bange schwere Zeit. Und wir wollen unserm Gott danken, daß er uns jetzt schon etwas sehen läßt von dem Segen, den er auch in das Schwerste und Dunkelste legt. So ganz Großes und Schönes haben wir wenig erlebt wie diese Einheit des Denkens, Empfindens und Wollens, die jetzt in entschlossenem Ernst und heiliger Begeisterung unser ganzes Volk beseelt. Alle Streitigkeiten, alle Parteiungen sind zu Boden gefallen, und vor uns steht ein einig Volk von Brüdern, das noch gemeinsame Güter kennt so groß und heilig, daß aller Parteizwist klein davor wird und alle sich die Hände darüber reichen, um ihr Blut dafür zu geben.
      Und in diesem Volk von Brüdern muß nun auch einer tragen des Anderen Last. Es darf nicht sein und wir dürfen nicht dulden, daß die Familien derer, die draußen kämpfen und bluten, darben,während wir genug oder Überfluß haben. Wir wollen Opfer bringen. einer für den anderen, wirkliche Opfer. Sagt, wär's nicht recht, wär's nicht dieser ernsten Zeit entsprechend, wenn wir selbst unsere Lebenshaltung einfacher gestalten und manchem entsagten, damit andere nicht um ihr tägliches Brot zu sorgen brauchen? Oder sind nicht doch viele unter uns, die diesem oder jenem, der hinaus zieht, die Sorge abnehmen könnten für Weib und Kind, und ihm sagen: Sorge nicht, für dein Weib und Kind sorge ich. Gehörst du nicht vielleicht auch zu diesen Leuten? Rechne nicht ängstlich und kleinlich! Könntest und solltest du es nicht tun? Jetzt darf es keinen Unterschied des Ranges und Standes mehr geben. Alle Glieder unseres Volkes müssen ausreichend zu essen haben, das fordert diese Zeit von uns, dafür sind wir alle verantwortlich.
      Liebe Gemeinde, unser Kaiser hat gestern im deutschen Reichstag gesagt: In aufgedrungenem Kampf mit reinem Gewissen und reinen Händen ergreifen wir das Schwert. Gottlob, daß das wahr ist, gottlob, daß unsere Sache gut und gerecht und sauber ist bis ins Mark. Wir Deutsche können mit ganzer Kraft und mit ganzer Seele nur kämpfen, wenn wir ein gutes Gewissen haben dabei. Bei allem Kampfeslärm und Kriegsgeschrei - über uns ist der Friede, der Friede heiligen Zwangs und heiliger Notwendigkeit. Und wenn wir dann durch Ströme Blutes schreiten, und durch Feuermeere - wir bleiben in Unschuld und über uns bleibt der Friede. Sorgen wir, daß sie uns bleiben, das reine Gewissen und die reinen Hände, daß sie bleiben denen, die draußen die Waffen führen, und daß sie uns bleiben, die wir zu Hause arbeiten und beten!
Wir sprechen noch einmal mit unserem Kaiser: Nach dem Beispiel unserer Väter fest und getreu, ernst und ritterlich, demütig vor Gott und kampfesfroh vor dem Feind, so vertrauen wir der ewigen Allmacht, daß sie unsere Abwehr stärken und zu gutem Ende lenken möge.
      Mit unserem Kaiser, mit Alldeutschland schließen wir uns heute zusammen in entschlossenem Ernst und geloben:

Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern,
In keiner Not uns trennen und Gefahr.
Wir wollen trauen auf den höchsten Gott
Und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen.
Amen



Seite 24

Unser Wille zum Opfer

Matth. 26,39: MeinVater, ists möglich, so gehe dieser
Kelch von mir: doch nicht ich will, sondern du willst!

    Liebe Gemeinde! Nun sind sie ausgezogen aus der Heimat, unsere begeisterten Söhne, unsere ernsten Männer. Die gewaltige Völkerwanderung nach Ost und West hat zunächst ein Ende:
eine große Stille breitet sich über uns, die nur zu bald wilden Kriegssturm weichen wird. Wir lauschen nach Siegesbotschaften, wir rüsten< unsere Fahnen; und daß unserem Heer noch im ersten Kriegsmonate so herrliche Siege geschenkt worden sind, stimmt uns zu hoher Feier. Vergeßt jedoche nicht, daß jetzt die ernsten Gesetze des Krieges herrschen , die mit Blut geschrieben sind; vergeßt nicht, daß der Krieg ein männermordendes Unge heuer ist, das "Menschenopfer unerhört" fordert. Die hinausziehen und die daheim bleiben - beide stehen fortan unter den unerbittlichen Gesetz, daß< Kriegszeit schwerste Opferzeit ist. Stellen wir es und deutlich vor Augen, was das bedeutet: von keinem, der so frisch und froh hinausgezogen ist, können wir erwarten, daß er gesund und sieggekrönt wiederkehrt; wer heimkommt, ist uns wie neugeboren, neu geschenkt. Zittern wir da nicht vor einem so unerbitterlichem Muß, das über unseren Kämpfern schwebt wie ein Adler über seiner Beute?
    Und wir, die wir daheim bleiben, stehen unter einem nicht leichteren Muß. Der Krieg wird, selbst wenn er unseren Grenzen fern bleibt, wenn wir siegen, unendlich viel zerstören, was wir fleißig und mühsam aufgebaut haben. Er läßt die Räder der Fabriken, die Räder des Verkehrs stillstehen; er sperrt uns die Grenzen, über die uns Brot kam, uns zu nähren, und Webestoffe, uns zu kleiden. Uns bangt vor Teuerung und Armut, den grauen Gespenstern im Gefolge des Krieges. Wir bedenken die ungezählten Millionen, die jeder Kriegstag kostet und die wir doch zunächst selbst opfern müssen. Das sind die Gesetze des Krieges: auch über der Heimat liegt ein schweres Muß!
    Wie überwinden wir dieses Muß eines schweren Opfers, fragt unsere bekümmerte Seele. Wie rüsten wir uns, stark zu sein, wenn die furchtbare Wirklichkeit des Opfers da ist und da bleibt? Die Antwort soll uns Christus geben mit seinem Gebetswort, das in einer der heiligsten und schwersten Stunden deines Lebens, in Gethesemane, gesprochen ist. Es ist sein Wort, und doch ist es auch unser. Wir dürften das geheiligte Wort seines Ringens in dieser schwersten Stunde des Vaterlandes auf unsere Lippen nehmen. Es offenbart das Geheimnis, wie wir das furchtbare Muß des Opfers überwinden: Wir nehmen es auf in unseren Willen; wir machen aus dem Müssen ein Wollen. Wir sprechen es heute aus, in Christi Nachfolge, als heiliges Gelöbnis:wir wollen Opfer bringen! Unsere Wille zum Opfer erfülle daher heute unsere Gedanken, unser Wille zum Opfer auf den Schlachtfeld wie in der Heimat.
   1. Opfer ist ein geweihtes Wort, geweiht durch die Erinnerungen aller Völker und Religionen.< Wir sollten das Wort nicht vorschnell und leichtfertig brauchen, denn es ist mehr als nur einfach Gabe und Spende. Wenn von Opfern geredet wird, dann steigt die Welt des Alten Testaments vor uns auf: Opfer steht schon auf den ersten Blättern der Schrift, und von Abrahams Opfer geht es ununterbrochen bis zum Gesetz, das dem Opfer feste Formen gibt. Doch Israel ist nicht allein das Volk des Opfers; in allen Zonen wallt die Menschheit hin zum Opferaltar. Auch da, wo man Gott nur ahnt und sucht, lebt der Gedanke des Opfers. So muß ein ewiger, göttlicher Sinn im Opfer liegen, das der ganzen Menschheit heilig ist.
    Wir kennen diesen Sinn: Es gilt, Gott das Beste zu geben, was der Mensch hat, auch wenn die Hingabe weh tut, und es gilt bereit zu sein, auch vor dem höchsten Opfer, dem des Lebens, nicht zurückzuschrecken. Nur die Gabe, die vor dieser Probe Stand hält, darf den hohen Namen "Opfer" tragen.
   Wüßten wir aber nicht, was Opfer heißt - Christus würde es uns lehren; nein - nicht lehren, sondern erleben lassen. Sein ganzes Leben ist ein großes Opfer! Im Dienst seiner großen Lebensaufgabe, die Menschenseele an Gott zu binden, mit Gott zu versöhnen, ist ihm kein Opfer zu schwer gewesen. Es galt, sich loszureißen von dem ihn nicht verstehenden Familienkreis; es galt, heimatlos durchs Land zu ziehen; es galt, die besten Kräfte des Geistes im Kampf mit kleinlichen und gehässigen Feinden zu verbrauchen; er mußte den Abstand des in ihm wohnenden Gottesgeistes von den irdischen Hoffnungen seines geliebten Volkes manchmal schmerzlich selbst im Jüngerkreise verspüren; er opferte auch seine Nächte der Seelsorge oder dem Gebet - wo wir auch blättern in den Evangelien, überall steht sein Leben unter den Gesetz des Opfers!
    Nun kommen die letzten schweren Tage seines Lebens, nun senkt sich über ihn die letzte schwerste Nacht, die Nacht vor Gethsemane. Nicht jetzt erst ahnt er, zu welchem höchsten Opfer er bereit sein muß; er wußte längst, daß er sterben müsse. Und doch, als die Stunde des Verrats naht, da faßt seine Seele die Furchbarkeit der kommenden Leidensstunden. Die Tücke der Bosheit sieht er wider sich empört; die Macht der Sünde fühlt er sich zusammenballen und seine Seele niederbeugen; sein kostbares Leben voll einzigartigen Wertes für die Menschheit ist bedroht. Verstehen wir da nicht, wie es zu heißem Ringen mit Gott kommt, zu Bitte, den Klech des Lebens vorüber gehen zu lassen?
    Doch er unterliegt nicht dem grausen Muß, das ihm verderblich naht. Er erkennt hinter dem blutigen Ende, das ihm die Feinde bereiten wollen, den erlösenden Willen Gottes, der das Opfer seines Sohnes braucht. So beugt sich Christi Wille vor dem Willen des Allmächtigen: das "ich will" des Sohnes geht ein in das "du willst" des Vaters. Und damit ist im tiefsten Grunde schon der Sieg erfochten, das Opfer ist gebracht. Ruhig und in Gott gefaßt geht der Herr den Häschern entgegen: nun ist er bereit.
    Schon die Apostel haben uns das Todesopfer Jesu gedeutet, nachdem es ihnen den Sinn des Heilandlabens selbst erschlossen hatte: Um das Heiligste und Größte zu vollenden, die Erlösung der Menschheit der Schuld und Macht der Sünde, bedurfte es des Opfers des Heiligsten und Reinsten! Damit wir leben könnten, wahres Leben hätten, "hier zeitlich und dort ewiglich", mußte Christus solches leiden. Wir aber wissen noch mehr als die Apostel - wir wissen, daß durch die Predigt vom Opfertod Christi die Kirche begründet wurde, daß sie bis auf den heutigen Tag davon lebt.
    Und nun wenden wir uns aus dem Fernen des heidnischen Opferwesens, aus der Ferne des Golgathaopfers, das uns doch segnende Gegenwart bleibt, zu unserer Zeit, zu unserem deutschen Volk.
    Muß ich es euch noch einmal sagen, um was es sich handelt in diesem schwersten aller Kriege? Wüßten wir's nicht, unsere Feinde sagen es uns in haßerfüllter Ehrlichkeit: Es geht um Deutschlands Sein oder Nichtsein, es geht um unsere Heimat mit all dem Unsagbaren, was in dem Worte Heimat an Glück und Friede, an Freude und Liebe für uns Deutsche beschlosen ist, um die deutsche Erde, in der unsere Väter ruhen; um das Land, das uns Gott trotz unseres Unverstandes in früheren Zeiten als ein einiges Vaterland gegeben hat; es geht um unser evangelisches Christentum, von dem wir glauben, daß es im Heimatvolk der Reformation seine reinste Ausprägung erfahren hat.
    Können wir das alles, diese sichtbaren und unsichtbaren Schätze, die jetzt noch unser sind, mit Geld festhalten, mit Gold von den Nachbarn erkaufen? Nein, nie ist uns so deutlich geworden, wie wertlos das Gold ist, wenn es sich handelt, die teuersten und edelsten Güter eines Volkes, das geheiligte Vatererbe, zu erhalten. Wir müssen Größeres daran setzen, ja das Größte und Beste, was wir haben: unser Leben! Jetzt gilt es in der Schule des Heilands zu lernen, daß die Welt lebt nur vom Opfer der Edelsten und Besten. Um das Großen willen, das gefährdet ist, um des Großen auch das zu gewinnen ist, sei bereit, deutsches Volk, zum Opfer deines Besten! Jetzt klingt das Grundgesetz des Christentums mit der Forderung des Vaterlandes zusammen zur mächtigen Harmonie. Ihr möge antworten als einmütiges Echo unseres Volkes das ernste Gelöbnis: wir wollen Opfer bringen!
   So lassen wir sie denn ziehen, unsere Besten, Tapfersten, Kraftvollsten, die Jugend und die Hoffnung unseres Volkes. Nicht das, was alt ist und grau, was vielleicht entbehrt werden könnte im großen Haushalt des Vaterlandes, senden wir an die Grenzen, gegen die Kanonen und Gewehre, gegen die Panzerschiffe unserer Feinde; blühende Jugendkraft ist's und erstarkte Männlichkeit, was wir zu opfern bereit sind. Ja, wir betonen das Wort "opfern"! Denn schwer ist's, das alles hinzugeben. Wieviel Familienglück, wieviel Gemeinschaft der Seelen wird zerstört werden! Der Krieg hat die Männer vom Acker, von der Werkstatt, von der Fabrik, vom Kontor, vom Schiff weg gerufen; er nimmt der Jugend ihre Lehrer, den Kranken ihre Ärzte, dem Staat seine Beamten; er läßt die Hörsäle der Forschung veröden so gut wie die Lehrstätten der Kunst; und überalle sind es die Tüchtigsten und Hoffnungsvollsten, die dem Ruf zum Kampfe folgen. Wäre es anders, ließen wir Söldner für uns kämpfen, setzten wir nicht das Beste ein im furchtbaren Spiel, wir dürften nicht so gefaßt und getrost dem schweren Ringen entgegenschauen.
    Nun aber, wo wir bereits sind zum Opfer, werden wir auch den Segen des Opfers erfahren, selbst wenn es zunächst unsere Augen mit Tränen, unsere Herzen mit Kummer füllt. Laßt uns groß denken von unseren Söhnen, die so bereit sind zum Opfer des Lebens. Viele tragen eine Welt voll Wissen, voll Kunst, voll lebenordnender Kraft mit sich hinaus; aber auch den Armen, der fast nichts besitzt als sein Leben, das er jetzt dem Vaterlande opfert, schmückt gleiche Ehre, so wahr Christus jene Witwe pries, die ihr Scherflein, alles was sie hatte, zum Opfer darbrachte. Laßt uns aber vor allem den Segen des Opfers darin spüren, daß wir jetzt dem Geheimnis des Opfertodes Christi verstehend näher kommen. Daß der Herr für uns starb, daß er die Strafe auf sich nahm, damit wir Frieden hätten, dieses Evangelium unserer Kirche lernen wir gewiß jetzt tiefer verstehen. Wir erleben es ja erschüttert und dankbar zugleich, wie unsere Brüder ihr Leben für uns geben, wie sie Wunden und Tod auf sich nehmen, damit wir in der Heimat ruhig leben können; wie sie zu sterben wissen, um uns einen bleibenden Frieden zu sichern.
   2. Dürfen wir, die wir daheim bleiben, die Männer, die Amt oder Alter oder Gebrechen zurückhält, die Frauen, die nicht mitziehen können, im Opfer zurückbleiben, wenn Millionen unserer Söhne, Brüder, Freunde das Opfer des Lebens willig anbieten? Nein, wir sind ein Volk, die draußens stehen und daheim bleiben, wir sind ein Volk, das sein Leben und Schaffen verteidigt, wir sind entschlossen zum Opfer, auch wenn wir nicht die Waffen tragen dürfen. Es sei uns ernstes Gelöbnis, derer würdig zu sein, die für uns kämpfen und sterben.
    Darum rufe ich vor allem euch zum Opfer auf, ihr deutschen Frauen! An wehrlosen Frauen würde sich der Grimm der Feinde zuerst austoben, wie uns schmerzliche Erlebnisse schon der ersten Kriegswochen zeigten. So seid ihr vor allem bereit zum Opfer! Jetzt ist der Frauen große Zeit. Wie dankt euch Müttern das Vaterland, dem ihr Söhne geboren und in opferfreudiger Arbeit erzogen habt; euer stiller treuer Dienst im Hause an den Kindern hat so gut wie der Waffendienst der Männer dem Vaterland für den Krieg die Rüstung geschaffen. Nun seid mit allen Frauen und Jungfrauen bereit zu persönlichem Opferdienst! Frauen haben einst dem Herrn, dem Heimatlosen, von ihrer Habe geopfert; Maria und Martha haben ihm nach den Kampfestagen Friedensstunden in Bethanien bereitet; Frauen haben den Gestorbenen ins Grab gelegt. Nun steht der Glaube und Heimat vor euch, Opfer heischend. Hunderte von Frauen werden im Gewande der Barmherzigkeit hinausziehen zum Dienst in den Lazaretten in Feindesland, bereit zum Opfer auch der Gesundheit und des Lebens. Tausender von Frauen und Jungfrauen bedarf die Pflege der Verwundeten und Kranken, die vom Schlachtfeld in die Heimat kommen. Frauenhände sollen für die Frauen sorgen, die der Krieg einsam und arm macht, für die Kinder, die des Vaters entbehren müssen. Frauenhände müssen sich fleißig regen, die oft so verachtete Arbeit des Nähens und Strickens zu tun für unsere Krieger. Frauenherzen sind berufen, Einsame und schwer Getroffene daheim aufzurichten und zu trösten. Das alles will treu und freudig getan sein, als Opfer, das bestehen kann vor Gottes prüfendem Auge.
   Alle aber, die daheim bleiben, ruft der Krieg auf zum Opfer des Gebens. Nennen wir doch nicht Opfer, was wir in Friedenszeiten gegeben haben, vielleicht die armseligen Kupferpfennige, die wir nach altem Herkommen in der Kirche als "Opfer" darbrachten! Dafür ist der Name Opfer zu groß und zu heilig. Wir gaben höchstens vom Überfluß und nicht vom Nötigen. Heute aber heißt es, Opfer bringen, die man auch fühlt, Opfer, würdig unserer Väter, die vor hundert Jahren Gold gaben für Eisen. Wir müssen dem Roten Kreuz die Hände füllen für seine vielgestaltige Fürsorgearbeit; wir dürfen aber auch unsere evangelischen Anstalten und Vereine nicht darben lassen, deren Segensarbeit wir in Frieden und Krieg verspüren und die jetzt große Sorgen haben; wir dürfen auch unsere Gemeinde nicht vergessen, deren Dienst viel heimliche Tränen trocknet, die für viele sorgen muß, um die sich sonst niemand kümmert. Wir wollen nicht schamrot stehen, wenn einmal unserer Krieger heimkehren und fragen, was wir daheim geopfert haben in der Zeit, die unendliche Opfer auf dem Schlachtfeld fordert.
    Wir schauen noch einmal zurück. Wir stehen unter dem bitteren Muß eines opferreichen Krieges, aber wir nehmen ihm die Bitterkeit, indem wir geloben, uns nicht gegen die Opfer zu wehren, sondern sie in die Ordnung unseres Lebens aufzunehmen. Wohl wissen wir, wie schwer das ist und wie schwach unser Vollbringen bei dem besten Wollen. Zum Opfer gehört Kaft, und die kann uns immer neu nur von dem Quell aller Kraft zuströmen. Drum ende unser Gelübde in dem Gebet:

Liebe, hast du es geboten,
daß man Liebe üben soll,
o so mache doch die toten
trägen Geister lebensvoll!
Zünde an die Liebensflamme,
daß ein jeder sehen kann:
wir, als die von
einem Stamme,
stehen auch für einen Mann!

Amen



Seite 35

Die Grundlagen unserer Kraft

1. Petrus 2.17: Habt die Brüder lieb, fürchtet Gott, ehret den König!

    Liebe Gemeinde! Dieser Tage sagte mir ein Gemeindeglied: "Ich bin jeden Abend in den Kriegsbetstunden gewesen; ich war in allen Kirchen, ich habe alle Pfarrer gehört; ich muß sagen, sie alle haben de rechten Ton getroffen und den Hörern Wertvolles geboten."
Ich erwiderte: " Das glaube ich gerne. Jetzt kommen unsere Gemeindeglieder mit der rechten Stimmung zur Kirche. Gott, der Herr, hat die Herzen bereitet; nun finden unsere Worte das rechte Echo, den erwünschten Widerhall in jeder Brust. Es ist ein Hunger vorhanden nach dem Worte Gottes, und darum wird man satt an dem, was geboten wird."
    Meine lieben Freunde, waren ihrer nicht viele, die in den vergangenen Tagen das Alte Testament gering schätzten und es verächtlich zur Seite schoben? Stolz sagten sie: es hat unserer Zeit und unserer Erkenntnis nichts mehr zu bieten. Und wenn man sie hinwies auf die wunderbare Kraft und Tiefe des Psalters, dann hießes: "Nun ja, aber die Psalmen haben schließlich nur den Wert einer längst verklungenen Literaturepoche." Da greift der Lenker der Geschichte mit seiner gewaltigen Hand in das Räderwerk des Weltgetriebes; er führt eine Zeit ungeahnten Ernstes und entscheidender Schicksalsschwere herauf. Alle menschlichen, alle irdischen Stützen brechen zusammen. Wo ist Hilfe, wo ist Halt? Das geängstigte Herz sucht nach einer Stütze, auf die Verlaß ist. Da kommt mit einem Male das Buch der Bücher wieder zu Ehren. "Nie hätten wir gedacht, daß solche Fülle des Trostes und der Kraft gerade im alten Testamente enthalten wäre. Man könnte meinen, die Propheten hätten vor Jahrtausenden geschaut und geahnt, was uns in diesen Tagen widerfährt." Meine lieben Freunde, man hört jetzt mit anderen Ohren, man liest jetzt mit anderen Augen, was in der Bibel steht.
    Ich habe das Gefühl, als ob wir dieselbe Erfahrung machten dem eben verlesenen Textesworte gegenüber. "Fürchtet Gott, ehret den König, habt die Brüder lieb!" Von Jugend auf ist dieser Dreiklang uns vertraut. Wir haben vielleicht schon manche Predigt darüber gehört, an Kaisers Geburtstag oder an dem Jahresfeste eines evangelischen Arbeitervereins. Aber die Worte rauschten an uns vorüber, wie so vieles andere. Wie anders ist das heute, in dieser ernsten, in dieser eisernen Zeit! Ja, wir haben's erleben dürfen, wir haben's erfahren dürfen: Gottesfurcht, Königstreue und Bruderliebe sind die Grundlagen eines gesunden Volkes. Der aus unserm Texte gebildete Wahlspruch hat einen ganz anderen Klang bekommen.
Diese Worte sind nicht mehr eine schöne Redewendung, sie sind Wahrheit und Wirklichkeit, sie sind Kraft und Trost geworden. Und deshalb wollen wir sie uns heute wieder aufs neue einprägen in Herz und Gemüt. Wir reden von den Grundlagen unserer Kraft, von Gottesfurcht, Königstreue und Bruderliebe.
    1. Fürchtet Gott! Die Gottesfurcht ist der Eckstein, auf dem ein gesundes Volkstum sich aufbaut. Das sollte sich unser liebes deutsches Volk gesagt sein lassen für alle Zukunft. Hier liegen die starken Wurzeln unserer Kraft. Deutschland ist allemal groß und mächtig geworden, bedeutsam für die Welt, wenn es mit seiner tiefen Seele seinem Gotte sich hingab. Die Geschichte beweist uns: Deutschland und Christentum gehören zueinander. Gott hat sie zusammengefügt, darum soll sie der Mensch nicht scheiden. Wann brach Deutschlands erste große Zeit an? Damals, als unsere Vorfahren sich hinwandten zum gemeinsamen Leben. Da wurden sie ein Volk. Karl der Große gründete sein gewaltiges Reich, und dieses Reich war das gebietende in der Welt. Das andere Mal war's in den Tagen der Reformation. In der Tiefe des deutschen Gemütes ward das Evangelium geläutert, so daß es in alter Schönheit und Kraft erstrahlte. Jugendfrisch trat es hinaus in die Welt, als wollte es die Weisagungen erfüllen: In dir sollen gesegnet sein alle Geschlechter auf Erden. Durch Luthers Tat wurde Deutschland der Mittelpunkt der Welt. Und nun zum dritten Male geschah's in den Freiheitskriegen. Wer hat die Erde befreit von der Gewaltherrschaft eines Napoleon? Es war deutsche Heldenkraft, die herausgeboren war aus tiefer Frömmigkeit. Die gewaltige Erhebung jener Tage erstand nach einmütigem Zeugnisse der Zeitgenossen aus religiöser Begeisterung. "Unsere Väter hofften auf dich, und da sie hofften, halfest du ihnen aus." Deutschland war wiederum der Hort der Welt.
    Und 1870 war es nicht anders. Vor meine Seele tritt das Bild des alten Kaisers Wilhelm als eine Verkörperung des Textwortes "Fürchtet Gott". Soll ich erinnern an jene Stunde vor Sedan, da der dritte Napoleon ihm den Degen zu Füßen legte, da er auf der Höhe menschlichen Glückes stehend die schlichten demütigen Worte schrieb: "Gott war mit uns, ihm sei die Ehre"? Weil dieser Geist damals unser Volk beseelte, hat es den Erbfeind überwunden und konnte die führende Nation werden unter den Völkern.
    Und in unseren Tagen? Das ist der hellste Lichtstrahl, den Gott uns in dieser dunklen Zeit gesandt hat, daß unser Volk seinen Gott wieder gefunden hat. Schmerzlich hatten wir es die langen Jahre her empfunden, daß so viele ihn verloren hatten. Er dünkte ihnen ein Märlein zu sein aus uralten Zeiten. Wie ein Gewitter hat der gewaltige Ernst des Krieges die schwüle Luft gereinigt.
Der Ausblick zum Himmel ist wieder klar. Wir haben gelernt die Augen aufzuheben zu den Bergen, von denen die Hilfe kommt. In Millionen ist der Entschluß gereift: Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen. Ich möchte sagen: Gott hat in diesem Krieg eine Eisenkur mit uns vorgenommen und neue Kräfte uns erwachsen lassen.
    "Die auf den Herren harren, kriegen neue Kraft." Es will doch etwas heißen, wenn in Berlin, wo vor einem Jahre noch die Wogen der Kirchenaustrittsbewegung erschreckend hochgingen, die Masse ausbricht in das alte Schutz- und Trutzlied unserer Kirche: Ein feste Burg ist unser Gott!
Meine Lieben! Wann je hat unser Volk die alten Choräle mit größerer Andacht und Inbrunst gesungen als während der Mobilmachung: das Bußlied: Aus tiefer Not schrei ich zu dir; das demütige: Befiehl du deine Wege; das jubelnde: Nun danket alle Gott; das kraftvolle: Herr, mach' uns frei? Wenn wir wissen wollen, welche Bedeutung der Glaube für ein Volk hat, dann wollen wir uns einmal die verflossenen acht Wochen vorstellen ohne Gebet, ohne Gottesdienst, ohne Gotteswort, ohne Glocken, ohne Kirche. Gott hat uns in die Tiefe geführt. Wir sollten zur Besinnung kommen. Und nun können wir mit Freuden feststellen: Unbedingtes Gottvertrauen, heiligender Gebetsernst sind wunderbar aufgeblüht. "Mit Gott" sind unserer Krieger hinausgezogen, "Mit Gott" haben wir Abschied von ihnen genommen, "mit Gott" haben wir uns hier in der Heimat in unser Los gefunden. O, daß doch unser liebes deutsches Volk nie vergessen möchte, daß es in diesen Tagen Gott erlebt hat, daß es verspüren durfte, welche Kraft ausgeht von dem Worte "Fürchtet Gott"!
    Wir alle sind überzeugt, wenn Gott uns den Sieg gibt - und er wird uns ihn geben - dann beginnt erst recht unsere Aufgabe. Dann müssen wir der Welt etwas sein. Dann schlägt die Stunde, in der es heißen wird: Am deutschen Wesen soll einmal noch die Welt genesen. Niemals aber werden wir diese Aufgabe erfüllen können ohne dieses "Fürchtet Gott". Die Gottesfurcht muß uns bewahren vor frevelndem Übermut, muß uns hineinführen in die rechte Demut und muß uns erfüllen mit heiligender Kraft. So nur werden wir imstande sein, als Gottes Werkzeuge Gottes Willen hinausführen zu helfen. Zuversichtlich hoffe ich, daß wir in dieser Stunde hier das feierliche Gelübde ablegen: Aus Dankbarkeit für alle deine Treue und Barmherzigkeit, o Gott, wollen wir dein Volk werden und bleiben, deinen Wille tun und dein Reich bauen nach deinem Wohlgefallen.
    Meine lieben Freunde, als Napoleon dem Ersten gemeldet wurde: Die Deutschen liegen auf den Knieen in Gebeten zu Gott, da fuhr er auf: Und ich will mit meinen Bajonetten ihre Gebete zunichte machen. Vor Ausbruch dieses Krieges schrieb eine Pariser Zeitung: Die Deutschen fürchten Gott, sonst nichts auf dieser Welt; nun, wir Franzosen fürchten auch nicht diesen Gott. Nunwohl, wir stellen alles dem anheim, der da recht richtet. Mögen jene sich in der Rolle der Freigeister gefallen, wie wollen umso inniger uns anklammern an den, der unsere Zuversicht ist und unsere Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben. Wir halten's mit der alten Losung: Gott mit uns; fürchtet Gott!
    2. Wo man aber Gott von Herzen fürchtet, da wird man auch die andere Mahnung des Apostels beherzigen: Ehret den König! Christus selbst hat es uns geboten: Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist!
    Und wir haben einen Kaiser. Gottlob! Das war der Traum und die Sehnsucht unserer Väter. Erst auf den Schlachtfeldern von 1870/71 ist er uns beschert worden. Und jezt erst, als Ost und West, als Nord und Süd geeint waren unter einem Kaiser, sah die erstaunte Welt, welche ungeahnte Kräfte in dieser Nation schlummerten. Jetzt erst begann unser Vaterland aufzublühen, nun setzte der Aufschwung ein in Handel und Wandel, in Technik und Industrie der schließlich die Eifersucht, den Neid, ja den unerbittlichen Haß unserer Nachbarn hervorrief.
    Ich hoffe, gerade die Zeit vor und nach der Mobilmachung hat uns gezeigt, wie unendlich wertvoll das Kaisertum ist, so wie es ist. Ein Blick auf unsere Gegner kann uns darin bestärken. Wir wollen keinen Despoten und Tyrannen, wie den Selbstherrscher aller Reußen, der trotz seiner Allmacht der ohnmächtigste und ärmste Mann ist, wir wollen auch keinen Scheinkönig, wie England und Belgien ihn haben. Da ist der König nur Figur und Dekoration, der Premierminister in Wahrheit König, wir wollen auch keinen Präsidenten, wie Frankreich, der doch keine Autorität besizt. Nein, wir wollen einen Herrn und Kaiser, der über dem Volk thront und doch mit seinem Volke und durch sein Volk regiert, der ein Herz und eine Seele mit ihm ist. Unvergeßlich wird in der Geschichte der 4. August 1914 bleiben, als unser Kaiser die herrlichen Worte vor dem Reichstage sprach: Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche; als er von den Stufen des Thrones heruntertrat und den Führern der Parteien die Rechte reichte in bekräftigendem Handschlag. Meine Freunde, kein Land der Welt macht uns dies nach. Gott sei in aller Demut dafür gepriesen!
    Wir alle wissen, vor dem Kriege waren ihrer nicht wenige unter uns, die von der Monarchie nicht eben hoch dachten, die in der republikanischen Verfassung der Weisheit höchstes Ziel sahen. Gebe Gott, daß sie anderen Sinnes geworden sind. Es haben so viele umlernen müssen in ihrem Urteil und in ihrer Wertschätzung von Militarismus, Steuern, Offizierskorps, Bureaukratie, vielleicht lernen sie auch um betreffs der Monarchie. Ich frage: was wären wir denn jetzt ohne den vielgeschmähten Militarismus, ohne unser verspottetes Offizierskorps, ohne den Bureaukratismus, kraft derer 'alles klappt'? Und was wären wir ohne unser kraftvolles Kaisertum?
    Wir Deutsche waren von jeher ein monarchisches Volk. Jetzt wollen wir es erst recht sein. Das ist meine Meinung. Wie ein Fels im wogenden Meere der Parteikämpfe und Sonderinteressen steht der Kaiserthron da. Ein Bollwerk gegen den Ehrgeiz politischer Abenteurer, ein Hort für die Unterdrückten und wirtschaftlichen Schwachen, ein Magnet für alle edlen Geister, für Talente und Genies.
    Und wenn noch etwas gefehlt hätte, das Band der Treue und Liebe um den Kaiser und sein Volk zu schlingen, in diesen Tagen wäre es gefunden, nachdem der Kaiser alle seine Söhne in den Dienst des Vaterlandes gestellt hat, daß diese in den vordersten Reihen kämpfen und bluten wie der einfachste Mann des Volkes. Meine lieben Freunde, es ist uns leicht gemacht, die Mahnung zu erfüllen: Ehret den König!
    3. Und als Drittes legt uns Petrus das Wort ans Herz: Habt die Brüder lieb! Wir alle fühlen's das ist unsere Pflicht und Schuldigkeit in diesen schweren Zeiten. Unsere Brüder stehen draußen in heißem Kampfe. Sie kämpfen für Haus und Herd, für Heimat und Freiheit. Das alles liegt beschlossen in dem Worte "Vaterland".
    Welch einen Zauber hat dieses Wort! Unwillkürlich denken wir an Schillers Mahnung und Bitte: "Ans Vaterland, ans teure schließ' dich an, das halte fest mit deinem ganzen Herzen!". In diesen Tagen, wo alles auf dem Spiele steht, empfinden wir stärker als je, was wir unserem Vaterlande verdanken. Wir verdanken ihm Sicherheit, unsere Nahrung, unsere Stellung, unseren Wohlstand. Und noch unendlich viel mehr. Es läßt sich nicht sagen, welche Fülle des Segens, der Freude und der Kraft wir fort und fort schöpfen dürfen aus seiner Geschichte, aus seiner Literatur und Kunst, aus seiner Sitte und seinem ganzen Geiste. Dafür bluten unsere Lieben draußen, dafür müssen wir in der Heimat nun ganz leben. Meine Freunde, unsere ganze Kraft muß jetzt dem Vaterlande gewidmet sein, damit wir die schwere Krisis überstehen. Ein einfacher Soldat schrieb diese Woche hierher: "Wir müssen viel ertragen, wir haben ungeheure Strapazen, haben oft nichts zu essen, aber wir nehmen das alles gerne auf uns, wenn ihr nur verschont bleibt und unsere schöne Heimat nicht das durchmachen muß, was wir hier im Lande sehen. Dankt Gott, daß der Krieg nicht in Deutschland geführt wird!" Ja, das wollen wir gewiß tun, Die Krieger erfüllen es im höchsten Sinne, wie wir sehen: "Habt die Brüder lieb!" Sie tun's für uns. Aber sie tun es auch untereinander. Es besuchte mich ein alter Konfirmand, der verwundet worden war. Er sagte mir: "Meine Wunde heilt. Ich sehne mich, wieder zu meiner Kompagnie zu kommen. Es gibt nichts Schöneres, als die treue Kameradschaft. Das sollten Sie sehen, wie wir zusammenhalten, wie keiner den anderen im Stiche läßt, wie der letzte Bissen Brot brüderlich geteilt wird." Habt die Brüder lieb. Hier ist's zur Tat geworden.
    Und wollen wir uns in der Heimat beschämen lassen von jenen in der Front? Nein, wir wollen alles tun, das Letzte aufzubieten, um den Tapferen das schwere Los zu erleichtern. Schafft Liebesgaben herbei! Der Winter steht vor der Tür. Lasset uns arbeiten und nicht müde werden! Das ist das Zeichen eines Christen, daß er durchhält, daß er nicht erlahmt, bevor das Ziel erreicht ist.
    Habt die Brüder lieb, das heißt auch: Helft hier in der Heimat! Helft den Angehörigen unserer Soldaten, helft den Arbeitslosen, die vielfach in noch größerer Not sind als jene. Es gibt auch eine falsche Sparsamkeit, Wer jetzt Arbeit gibt, tut ein gut Werk, der hat die Brüder lieb. Wir müssen lernen Opfer zu bringen, dieser und jener süßen Gewohnheit entsagen, diesen und jenen Luxus meiden, um helfen zu können.
    Frage sich jeder: Was habe ich bis jetzt getan, um meinem Vaterlande den gebührenden Dank abzustatten? Jedem wird sein Gewissen sagen: Der ist kein Patriot, der ist kein Christ, der nicht ernst macht mit dem Wort: Habt die Brüder lieb!
    Ich schließe mit einem Worte Fichtes, vor 100 Jahren gesprochen: "Auf denn, redlicher Deutscher, bete täglich zu Gott, daß er dir das Herz mit Stärke fülle und deine Seele entflamme mit Zuversicht und Mut, daß keine Liebe dir heiliger sei als die Liebe des Vaterlandes,"
    So sei es: Fürchtet Gott, ehret den König, habt die Brüder lieb! Mit Gott für Kaiser und Reich!
Amen.



Seite 47

Sorgenvoll oder getrost?

Matthäus 6, 24-34: Niemand kann zweien Herren dienen:
Entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder wird dem einen anhangen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. Darum sage ich euch: Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, auch nicht für euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr denn die Speise? und der Leib mehr denn die Kleidung?
Sehet die Vögel unter dem Himmel an: Sie sähen nicht, sie ernten nicht. Sie sammeln nicht in Scheunen; und euer himmlischer Vater nähret sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie? Wer ist aber unter euch, der seiner Länge eine Elle zusetzen möge, ob er gleich darum sorget? Und warum sorget ihr für die Kleidung? Schauet die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, daß auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen ist, als derselbigen eins. So denn Gott das Gras auf dem Felde also kleidet, das doch heute stehet und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr euch tun, o ihr Kleingläubigen? Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns kleiden? Nach solchem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlicher Vater weiß, daß ihr des alles bedürft. Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen. Darum sorget nicht für den anderen Moprgen; denn der morgende Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, daß ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe.
        Das sind jedem unter uns altbekannte Worte. Aber neu und noch nie erlebt ist uns allen die ernste Zeitlage, in der diese Worte uns heute finden. Die ernste Zeit gibt auch dem altbekannten Wort neuen Klang, neue Bedeutung. Wie oft mögen diese ernsten schönen Jesusworte von dieser Kanzel aus schon weitergegeben worden sein? Aber gewiß lag noch nie dabei eine solche wirkliche Sorgenlast über allen Häuptern dieser Gemeinde wie heute. Die gespannte Sorge um den Stand unseres ungeheuren Volkskampfs läßt uns nicht zur Ruhe kommen. Zahllose einzelne Herzen bringen in der Stille hierher die Sorge um einen oder mehrere der Ihren, die im Felde stehen: "Leben sie noch? Sind sie noch wohlbehalten?" Sorge schwebt über so manchem unserer Verwundeten: "Werde ich wieder aufkommen, wieder in meinem Beruf arbeitsfähig werden?" Bange Sorge kehrt ein in Familien, die den Vater, den Sohn, den Ernährer verloren. Sorge bei so vielen, die schon vorher mit der Ungunst der Zeiten hart zu kämpfen hatten, und nun ist der Krieg gekommen und nimmt ihnen ihr Brot und bedroht ihre Existenz. Dazu die Sorgenfrage für alle: Wird unser rings von Feinden umdrohtes Land durchhalten können oder wird der Riese Hunger, mit dem die Feinde uns bedrohen, über uns kommen und uns würgen, bis wir das tapfere Schwert doch sinken lassen müssen? Sonst, wenn wir hier von Sorgen sprachen, saß wohl manch einer hier, an dem der Ernst des Wortes glatt vorbeiging, weil er sich selbst recht sicher fühlte und still bei sich dachte: an mich kommt die Sorge nicht so leicht heran. Ich wohne sicher und bin versorgt. Jetzt ist's anders geworden. Unser aller Dasein schwebt im Ungewissen; unser aller Zukunft steht in der Frage, und keiner ist ausgenommen.
        Es wird für uns, auch für unser ganzes Volk, in der jetzigen Lage viel davon abhängen, ob wir Menschen sind, die den Sorgen unterliegen, oder solche, die ihrer innerlich Herr werden. Es wird einen großen Unterschied ausmachen, ob unsere Krieger   s o r g e n v o l l   oder   g e t r o s t   in den Kampf geh'n; ob wir mit verzagtem oder mit zuversichtlichem Mut hinter ihnen stehen; sorgenfreien Herzens, auch wenn es an die letzte Kraft geht. Können wir, die wir daheim bleiben mußten, nicht den Feind dort draußen niederringen helfen, so wollen wir umso entschlossener uns aufmachen zum Kampf gegen einen bösen Feind, der daheim droht: gegen den Sorgengeist, der den Mut matt macht und die Kampfesfreude lähmt. Dazu kann uns helfen, was Jesus uns hier wider das Sorgen sagt: Sorget nicht!
        1. W i r   d ü r f e n   n i c h t   s o r g e n ,  d e n n   e s   i s t   U n t r e u e   g e g e n   u n s e r n   w a h r e n   H e r r n.
        Zwar das kann der Heiland uns nicht wehren wollen, daß wir, soviel wir können, die Zukunft vorher bedenken und auf sie uns rüsten. Daß solches Sorgen geboten ist, haben wir jetzt wieder an einem sicher einleuchtenden Beispiel erlebt.
Wie waren doch all die fürsorgenden Vorkehrungen und Aufwendungen für eine starke und schlagfertige Wehrkraft unseres Volkes so bitter nötig, und wie reich haben sie sich bisher schon gelohnt! Wir wollen uns gewiß auch mit aller Fürsicht und Umsicht darauf einrichten, daß es noch durch schwere Zeiten mit uns hindurchgehen kann. Rechtzeitige Fürsorge ist ebenso Pflicht, wie daß man im Frühjahr säen soll, um im Herbst ernten zu können.
Sorgen, wie Jesus sie meint, das sind die Beklemmungen des Gemüts, die den Mut niederdrücken wollen. Sie nehmen der Seele den Atem und machen sie engbrüstig, so daß ihr die die Luft ausgeht, wenn es nun einen harten Berg zu erklimmen gilt. Atemnot hat aber oft ihren Grund in Herzkrankheit.
So sind auch all die verwerflichen, den Mut beengenden Sorgen die Folge eines bösen Herzfehlers. Jesus deutet ihn an, indem er erst sagt: "Niemand kann zwei Herren dienen; ihr könnnt nicht Gott dienen und dem Mammon", und dann fortfährt: "Darum sage ich euch, sorget nicht um euer Leben." Das Sorgen beweist, daß Gott nicht zu seinem Herrenrecht über den Menschen kommt. Darum verwirft Jesus das Sorgen. Untreue gegen den wahren Herrn ist der Herzfehler, aus dem die Sorgenbeklemmungen kommen. Wer nicht Gott, sondern den Mammon dient, wird unfehlbar der Sorge Knecht. Entweder er muß immerfort ausgeben, wegwerfen und verschwenden ohne Halten und gerät dann notwendig über kurz oder lang in das Borgen mit seinen Sorgen. Oder er verfällt der Sucht, immer mehr anzusammeln, und meint sich recht sicher zu setzen auf seinen Schätzen, und dann kommt eine Zeit der Unsicherheit, wie jetzt, die vielleicht wie mit einem Fußtritt die ganze Herrlichkeit hinwegfegen könnte; und nun die heiße Angst darum und die schlaflosen Nächte! Alles eine Folge davon, daß das Herz einem falschen Herrn dient. Da gibt es nur einen Rat, nur eine Hilfe gegen die Sorgennot: Buße, Änderung des Sinnes und Lebens, damit man zuerst einmal mit dem einen Herrn, der allein ein Recht über uns hat, ins Reine komme und dann auf ihn wieder sein ganzes Vertrauen setzen könne.
        Aber von den unverschuldeten Sorgen wollen wir heute reden, von Sorgenlast, welche diese bange, schwere Zeit über Zahllose herwälzt, die an ihrem Kommen keinen Anteil haben. Es ist nicht nötig, daß ich sie ausmale. Ihr seht und fühlt sie deutlich genug. Wir wollen wahrlich auch nicht leicht darüber hinwegreden. Wenn Gott uns in eine solche Lage führt, wo der Boden uns unter den Füßen wankt und wir ganz im Ungewissen schweben, so will er doch, daß wir unsere Hilflosigkeit und Ratlosigkeit auch wirklich fühlen. Soll uns die Beklommenheit unter solchem Druck Sünde sein? Auch Christus hat gezittert und gezagt in seinen schwersten Stunden. Auch ein Paulus hat sich nicht geschämt, zu schreiben: Uns ist bange. Bange mag einem Soldaten ums Herz sein, wenn der Schlachtendonner wie eine Hölle um ihn tobt, und er kann dabei doch wie ein Held seine Schuldigkeit tun. Wodurch wird Sorge erst zur Sünde? Dadurch, daß bei ihr ein Mangel an Treue gegen den einen Herrn über uns zutage tritt. Sündhaft ist die Beängstigung der sorgenden Seele, wenn ihr der lebendige Gott darüber zweifelhaft und die Treue seiner Fürsorge und seiner Zusagen unsicher wird. Dann ist's ein Zeichen, daß das Herz im Frohndienst unter einem falschen Herrn steht und Gott nicht gibt, was Gottes ist.

   

Fortsetzung folgt



© Horst Decker



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