profilm.de

 


Feldgottesdienste - Heft Nr. 3 von Julius Reissinger 1913



Julius Reissinger war Feld-Divisions Geistlicher der 2. bayerischen Infanterie Division. Das Heft gehört zu einer gleichnamigen Reihe 'Erbauungshefte', die im 1. Weltkrieg für das bayerische Armee Korps (Augsburg) herausgegeben wurde. Es enthält Kurzgeschichten, die eine Verbindung zwischen Krieg, Soldatentum, Tapferkeit, Ehre, Vaterlandsliebe und christlichem Glauben herstellen.

1. Der deutsche Soldat und das Eiserne Kreuz.

Erzählt nach einem Feldgottesdienste.

     Es war jetzt in dem furchtbaren Kriege, der
1914 über unser deutsches Vaterland hereinbrach,
an einem der herrlichen Septembertage. Der
Künstler Herbst war friedlich wie sonst, als hätte
sich nichts weiter in der Welt ereignet, durch das
Land gezogen und hatte seine wundervollen Farben
verschwenderisch und märchenhaft schön in der
Natur an Sträucher und Bäume hingezaubert.
Da sah ich in dem französischen Orte, in dem wir
längere Zeit unsere Unterkunft hatten und vor dem
die Belagerungslinie gegen den Feind vorbeiführte,
wieder einen schlichten deutschen Soldaten mit dem
schwarz-weißen Bande im Knopfloch. Es war ein
Artillerist und, wie sich herausstellte, ein geborener
Württemberger, der zu unserer bayerischen Division
gehörte, mir aber bis dahin völlig unbekannt war.
Wie prächtig das immer aussieht: Dieses Bändchen
mit seinen edlen, einfachen Farben. Der Soldaten-
rock war schon stark strapaziert. Das Kreuz selbst
hatte der junge Geselle wohl sorgsam aufbewahrt.
"Ich gratuliere," sagte ich und gab ihm die Hand.
Er stand still und dankte. "Womit haben Sie sich
das verdient?" fragte ich. "Ich habe viermal
Meldungen unter Granatfeuer in die Stellung meines
Regiments vorgebracht. Mein Pferd wurde mir
dabei weggeschossen." erwiderte der Mann bescheiden.
"Tapfer sein können wir schließlich von uns selbst,"
sagte ich. "Aber beschützen können wir uns nicht
selber. Jedes Eiserne Kreuz ist immer auch ein
Andenken an den Schutz, den Gott uns geschenkt
hat." Ich merkte, daß diese Worte völlig nach dem
Herzen unseres wackeren Kriegsmannes waren.
Seine Soldatenaugen glänzten. Er dachte wohl
an den Geschoßregen, durch den er glücklich hin-
durchgekommen war. "Ja, der Krieg," sagte ich
weiter, "läßt einen etwas wissen. Da sieht man,
daß das Leben ernst ist. Aber das Leben ist auch
interessant, und es ist etwas Großes, mittun zu
dürfen." Auf mein Befragen erzählte der tapfere
Schwabe: "Ich bin im bürgerlichen Leben ein
Brauer. Ich habe mich seinerzeit freiwillig zum
Militär gemeldet. Zu Hause hat man tüchtig exer-
zieren müssen, aber man hat im Bett schlafen
können. Und doch hat mancher geschimpft." So
etwa sagte der gute Freund und er dachte dabei
wohl an die harten Entbehrungen, die auch ihm
der Krieg schon gebracht hatte. Er war auch, wie
ich durch Fragen erfuhr, einmal bei einem Feld-
gottesdienste, den ich abhielt. Ich erinnere mich
genau, welchen er meinte. Es war bei dem anderen
Artillerie-Regiment der Division, das bald darauf
bittere Verluste erlitt. "Ich habe auch ein Neues
Testament, da lese ich oft drinnen," fuhr er fort.
Damit zog er aus seiner Rocktasche das Büchlein
hervor. Ich schlug es auf. Es war schon viel
gebraucht. Vorne stand sein Name. offenbar von
seinem Pfarrer geschrieben, der sich ebenfalls ein-
gezeichnet hatte. Darunter war zu lesen: "Selig -
sind, die Gottes Worte hören und bewahren." -
Ja, selig solche Leute und dreimal selig imKriege,
dachte ich mir. Und nun rufe ich es laut: Gott
mit euch allen, ihr braven deutschen Soldaten.
Keinen besseren Platz gibt es für das Eiserne
Kreuz, als eure tapfere deutsche Soldatenbrust.
Eisern sei und bleibe euer Mut. Und ernst und
bescheiden wie das Kreuz sei euer Sinn in der
Tiefe eurer Seele!

2. Der Gottesgeist.

Röm. 8,14. Welche der Geist Gottes treibet, de
sind Gottes Kinder.


     Kameraden! Von dem Seite Gottes möchte
ich heute ein Wort zu euch sagen und ich denke,
ihr hört ganz gerne davon, nicht nur wegen der
Jahreszeit, in der wir stehen und die mit ihrem
Lenzeslachen und ihrem Frühlingshauch unsere
Seele wie mit einem Zauberstabe anrührt und uns
wie von selbst zum Gleichnisse wird für das Rauschen
des Gottesgeistes und für seine erneuernde, leben-
weckende Kraft. Was sollen wir uns unter dem
Geiste Gottes vorstellen und welches Werk soll er
an uns ausrichten? So laßt uns fragen.
     Das Wort Geist hat verschiedene Bedeutungen.
Wir sprechen davon, daß der Mensch einen Geist
hat, und verstehen darunter die seinen, unsichtbaren
Fähigkeiten, die auf das allerengste verbunden mit
den Kräften und Organen des Leibes das Wunder-
gebilde Mensch ausmachen. Wir spechen in diesem
Sinne von besonders vortrefflichen Geistesgaben,
die einer besitzt, und von geistig weniger begabten
Menschen. In diesem Sinne reden wir, wenn wir
uns das Körperliche wegdenken, von Geistern und
von Geisterglaube und so ist es auch gemeint, wenn
wir sagen: Gott ist Geist - eben im Unterschiede
von uns Menschen, die wir auch einen Körper
haben, durch den wir eingeschränkt und gebunden sind.
     Wenn wir heute vom Geiste miteinander
reden, so meinen wir das in anderem Sinne. Ich
möchte euch das klar zu machen suchen. Wenn
Völker gegenseitig im Kampfe liegen, so kommt es
neben vielem Sonstigen sehr darauf an, was für
ein Geist im Heere herrscht. Ganz natürlicher-
weise haben deswegen auch wir Deutsche in diesem
Kriege immer wieder von dem Geiste unserer
Truppe geredet. Man hat ihn gelobt und sogar
unsere Feinde haben ihn dazwischen immer wieder
anerkannt. Mancher Offizier hat zu mir gesagt:
Der Geist, der in unseren Leuten steckt, ist ganz
vorzüglich. Auch vom Lügengeiste, vom Geiste der
Skrupellosigkeit und der Heuchelei, der Renom-
misterei und Prahlerei und jetzt der Gemeinheit
und Treuelosigkeit ist in diesen langen Kriegsmonaten
viel geredet und auch geschrieben worden.

     Unter Geist in diesem Zusammenhange ver-
stehen wir nicht die Summe der geistigen Fähig-
keiten eines Menschen, sondern die von selbst sich
ergebende Ausstrahlung des sittlichen Lebens, das
in einem einzelnen oder in einem ganzen Kreis
von Menschen wohnt. Daß also dieses sittliche
Leben, das an und für sich etwas Verborgenes ist,
als ein wahrnehmbarer, spürbarer Lebenshauch
nach außerhin hervortritt und eine ansteckende, be-
fruchtende Wirkung ausübt und direkt die Absicht
hat, auch andere überzuspringen und sie sich ähnlich
zu machen, im guten oder im schlimmen Sinne.
     Auch in der Natur gibt es etwas derartiges,
aber man nennt es da anders. Man redet nicht
vom Geiste des fruchtbaren, taubenetzten Acker-
bodens, sondern von seinem Erdgeruche. Man be-
singt nicht den Geist des Lenzes, sondern den
Lenzeshauch und das Frühlingsweben. Man rühmt
nicht den Geist der Sonne, sondern ihr Licht und
ihre Wärme und ihre lebensspendende Kraft.


Fortsetzung folgt

© Horst Decker



Bücher zum Thema Kirche im Dritten Reich