Brief eines im Wehrmachtsgefängnis
München Stadelheim inhaftierten Soldaten

Camillo Kühles hatte bis zum 13.12.1942 so oft wie möglich an seine Geliebte geschrieben. Man muss daher davon ausgehen, dass die Briefe bis zum 22. August 1943 verloren gingen oder sich in anderen Sammlungen befinden. Leider hatte der Verkäufer, bevor ich Kontakt zu ihm hatte, anfänglich alle Briefe einzeln zum Verkauf angeboten und so möglicherweise europaweit verstreut.

(es folgt der Aufdruck mit den Vorschriften der Standortarrestanstalt, München 19, Leonrodstr. 51)

Name: Camillo Kühles      Gef.B.Nr. 855 / Abt.55      München, den 22. August 1943

Meine innigstgeliebte Annemarie!       Nun ist die letzte Woche vor meiner
Entlassung angebrochen und möchte Dir noch einmal vorher schreiben und
Dir mitteilen, daß ich am Mittwoch den 1. September höchstwahrscheinlich
in der Frühe oder spätestens Vormittag gegen 11 Uhr entlassen werde, wie ich
hier vom Herrn Verwalter erfahren habe. Wie freue ich mich schon so sehr
auf unser Wiedersehen und bitte Dich innigst, Dich vorher noch einmal tele-
phonisch bei der Verwaltung Stadelheim zu erkundigen und die genaue Zeit mei-
ner Entlassung entgegenzunehmen. O, daß ich wieder in die Gemeinschaft
der Menschen als ordentlicher Mensch aufgenommen würde; ich will nur
für meine Familie leben. Bitte, meine liebste Annemarie, bringe mir, wenn
Du mich abholst, einen Anzug mit, weil ich weiß, wie der in Stadelheim
befindliche aussieht; auch nehme bitte einen kleinen Handkoffer mit Aktentasche
mit und etwas zu rauchen. Unsere Verehelichung werden wir in aller kürzester
Frist ermöglichen. "Daß ich wahrscheinlich 14 Tage vorher entlassen würde, war
wieder ein Bluff von Rechtsanwalt Dr. Kartini, der wieder absolut vollkommen
erfunden ist und der mir sehr qualvolle Stunden des Wartens und der Enttäuschung
gebracht hat. Ich bin so wie so schon vom Schicksal stark heimgesucht, so braucht man
mich nicht noch künstlich enttäuschen, das tut sehr weh. Aber wenn ich nächste Woche
zu Dir heimkommen, soll auch dies vergessen sein und hoffe ich zuversichtlich, daß
Du meinen Empfang gut vorbereitet hast, denn nun hat die Qual meiner größten
Erniedrigung meines Lebens ein Ende. Nun mein süßes Weib, behalte mich immer
lieb und nehme die herzinnigsten Grüße und Küsse entgegen von Deinem Dich
            innig liebenden Milomandi

© Horst Decker


   


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