Brief von in Paris stationierter Wehrmachtshelferin an Freund im Fliegerhorst Strausberg

O.U. 24.IV.43

Mein geliebtes herzensgutes Spätzchen!
Darf ich denn jetzt zu dem Herrn Leutnant noch so sagen?
Jedenfalls gratuliere ich recht recht herzlich und wünsche
Dir als Leutnant alles Gute und viel Soldatenglück. -
Für Deinen lieben Brief vom 21. meinen herzlichsten Dank.
Natürlich habe ich gleich auf den Absender gesehen. Ich
kenne ja Deine Schrift, aber trotzdem sehe ich erst auf
den Absender. Ich dachte erst, Du wolltest mich verkohlen.
Dieser Brief war der allerschönste den ich seit langer
Zeit von Dir bekommen habe. Du glaubst garnicht mein
Spätzchen, wie glücklich ich bin. Es ist herrlich das Du jetzt
doch Urlaub bekommst. Dann fahren wir doch am 6. Mai?
Wenn Du etwas Zeit hast, dann besorge bitte schon alles, sonst
wir haben ja, wenn ich komme, keine Zeit mehr dazu. Wie
siehst Du denn als Ltn. aus? Ich bin ja schon so gespannt,
Dich zu sehen. Jetzt freue ich mich erst richtig auf den
Urlaub mein Spätzchen. Nur noch eine Woche. Ich werde
mir sehr viel Arbeit machen, damit die Zeit recht schnell
vergeht. Und wenn ich jeden Tag 2 mal unsere Stube
wische. Natürlich ist es ja sonst nicht nötig. Nun zu
meiner Versetzung mein Spätzchen. Es wäre sehr schön
wenn alles klappen würde, aber ich habe Befürchtungen.
Es sollen alle Helferinnen unter 20 Jahren aus dem
Ausland entlassen werden. Und das sie da so junge
Helf. wie die Hirseland nehmen, das glaube ich nicht.
Na wir wollen abwarten. Vielleicht geht es. - Wir müssen
ja mal Glück haben, mein Spatz. Oder muß ich jetz

"Herr Spatz" sagen? Du freust Dich doch auch, daß Du befördert
bist? Aber das ist ja ganz klar. Jetzt ist mir der Nafü noch
mal so sympatisch. Ich habe nicht gedacht, daß der
Mann so nett ist und gleich das Urlaubsgesuch unter-
schreibt. Ach mein Spatz, ich hab Dich ja so lieb und ich
bin so glücklich. Wenn es sein muß, dann bleibe ich
auch noch ein bißchen in Paris, da kaufe ich mir dann
noch so allerlei. Als die Braut eines Offiziers muß ich
doch schick sein? - Das ist ja klar, wir besuchen mal
Frau Schwarz wenn ich komme. Sag mal mein Spatz,
soll ich da einen Zusatzurlaubsschein einreichen?
Oder fahre ich in Zivil. Es wäre mir ja lieber, aber ich
weiß nicht wie das mit den Fahrkarten ist, ob ich dann
eine bekomme. Ich muß es bis Freitag den 30. wissen.
Denn am 1. V. muß ich Urlaub einreichen. Schreibe mir
also gleich wie Du darüber denkst. Wenn Du natürlich
schon vorher Fahrkarten bekommst, dann ist es ja gut.-
Ja mein Spatz, ich glaube Dir, das Du sehr viel Arbeit
hast. Sag mal was haben denn die Mädel gemacht, die
Du so hart bestrafen mußtest? Es muß ja etwas Schreck-
liches passiert sein. Es ist doch furchtbar für ein
Mädel, bestraft zu werden. Hab keine Angst mein Spatz,
ich bin bis jetzt noch nicht bestraft worden und hoffe es
auch in Zukunft nicht zu werden.- Heute waren wir
wieder in Paris, ich habe die letzten Einkäufe gemacht.
Nächste Woche will ich nicht mehr, wenn es geht na-
türlich, nach Paris fahren. Du hattest so viel Glück
und ich war heute ein richtiger Pechvogel. Ja mein
Spatz, zweimal bin ich die Metro-Treppe raufgefallen.
Es war traurig, aber doch zum Lachen. Die Franzosen

waren mir sogar beim Aufstehen sehr behilflich, das
muß man ihnen lassen. Dabei ist leider mein Uhrglas
wieder kaputt gegangen. Und das alles wegen Herbertchens
Rollschuhe. Die waren so schwer. Aber das Du ihm davon
ja nichts sagst. Ich will ihn damit überraschen. Auch
Muttchen und Papa nichts sagen hörst Du. Aber mein
Spatz hält ja Wort.- Nun bin ich aber wieder wohl-
behalten und unter viel Lachen hier gelandet. Ich
bekam dann gleich Deinen schönen Brief. Und jetzt
merke ich erst, dass ich ganz vergessen habe, Abendbrot zu
essen. Ich hatte vor Freude keinen Hunger. Aber jetzt werde
ich es nachholen. Es ist so ein schöner Ostersonnabend,
trotzdem es fast den ganzen Tag geregnet hat. Es ist
erst 2100 Uhr, aber trotzdem werde ich jetzt schlafen
gehen. Hoffentlich ist Ostern schönes Wetter, dass ich mich
sonnen kann. Was soll ich auch weiter machen? Was
machst Du jetzt mein Spätzchen? Du hast ja Dienst bis
morgen Mittag, oder machst Du den Dienst jetzt nicht?
Das kann ich mir denken, dass Muttchen erstaunt war.
Aber mehr wie ich hat sie sich bestimmt nicht gefreut.
So mein Spätzchen, jetzt gehe ich schlafen. Hoffentlich
vergehen die Feiertage schnell, denn es wird wohl lang-
weilig werden. Jetzt lege ich mich ins Bett und lese
Deinen lieben Brief noch mal. Für heute mein kleiner
geliebter Leutnant, auf den ich so furchbar stolz bin,
die allerherzlichsten Grüße und Küsse

Dein Pummelchen.

© Horst Decker


     


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