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Wiedergabe der Inhalte von 54 Geschäftsbriefe der Zeit 1945-1948, die die Versorgungslage nach dem 2. Weltkrieg skizzieren.

Die hier aufgelisteten Geschäftsbriefe, die ein kleines Handelsgeschäft aus Ulrichstein im Vogelsberg in dem Zeitraum 1945 bis 1948 erhielt, spiegeln sehr gut die Versorgungslage in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wieder.
Sicher sind diese Briefe nur ein Auszug des damaligen Schriftverkehrs und viele weiteren Briefe sind verloren gegangen oder bereits seinerzeit wegen des erheblichen Papiermangels zum Anzünden des Ofens oder anderweitig verwertet worden.
Die vorhandenen Belege beginnen mit einem Postkartenvordruck vom 15. Februar 1944, der sich auf die Bombardierung Frankfurts am 29. Januar 1944 bezieht. Bei diesem wurde auch das Geschäft eines Lieferanten des kleinen Vogelsberger Geschäftes zerstört, wodurch ev. Bestellungen nicht mehr einfach ausführbar waren.
Auch, wenn sich die Versorgungslage nach dem Krieg durch den Wegfall von Importmöglichkeiten drastisch verschlechterte, so bestanden Rationierungen und Lieferausfälle ja bereits seit Beginn des 2. Weltkriegs, weil die zur Wehrmacht eingezogenen Arbeitskräfte in der Produktion fehlten und zugleich die gefertigten Produkte vorrangig für die Truppenversorgung benötigt wurden.
Viele Waren für den zivilen Verbrauch wurden sogar erheblich eingeschränkt oder gar nicht mehr gefertigt, weil deren Produzenten ihre Maschinen auf Rüstungsgüter umstellen mussten.
Durch Energie-, Rohstoff- und Arbeitskräftemangel brach dann nach dem Krieg die verbliebene Produktion zur Versorgung der Zivilbevölkerung vollends zusammen. Die Rück-Umstellung der Kriegsproduktion auf den zivilenen Bedarf scheiterte an fehlendem Investitionskapital.
Die während des Krieges zehnfach überbewertete Reichsmark fiel als internationales Zahlungsmittel aus, so dass auch keinerlei Waren oder Rohstoffe importiert werden konnte. Zusätzlich erschwerten in Folge der Reparationsforderungen der Siegermächte Demontagen von Fabriken die Wiederaufnahme einer zivilen Produktion. Große landwirtschaftliche Flächen konnten wegen im Boden liegenden Blindgängern nicht vollständig bewirtschaftet werden. Es fehlte zudem an Traktoren und Treibstoffen für noch eventuel vorhandene Fahrzeuge. Pferde waren im Krieg vom Militär eingezogen worden.
Kurz gesagt, Die Wirtschaftslage war katastrophal und die Möglichkeiten, diesen Umstand zu ändern, waren gering.
Die hier vorliegenden 54 Schreiben von Lieferanten und Behörden richten sich an eine kleine Buchbinderei mit Verkauf von Schreib- und Haushaltswaren, Spielzeugen und Tabakwaren.
Die Korrespondenz der unmittelbaren Kriegsendezeit ist nicht mehr vorhanden. Ev. wurden die Schreiben seinerzeit wegen der großen Papierknappheit anderweitig wiederverwertet. So war es seinerzeit üblich, Schreiben mit freier Rückseite für die Antwort zu verwenden, bzw. den empfangenen Text durchzustreichen und die Rückseite für einen eigenen Brief zu nutzen.
Erst ab dem 8 März 1946 sind wieder Schreiben, bzw. Anweisungen von Behörden und Aufsichtsämtern vorhanden.
An diesem Tag erhält die Firma Kimpel die Aufforderung des Regierungspräsidiums Darmstadt, eine Mitteilung darüber zu machen, welche Menge an Kleidungsstücken sie auf Lager hat. Die Firma beantwortet diese Frage mit Null. Am 2. Juli scheinen die Bestände an Kleidungsmittel so knapp und der Bedarf (ev. wegen ankommenden Flüchtlingen) so groß zu sein, dass ein Verkaufsverbot für Textilien verhängt wird und alle in Geschäften noch vorliegenden textilen Waren sofort telefonisch gemeldet werden müssen.


15.02.1944Knielingen, KarlsruhePostkartenvordruck aus FrankfurtMitteilung über die Bombardierung des Geschäfts in FrankfurtPostkarte
08.03.1946Darmstadt, LauterbachAnweisung des RegierungspräsidentenForderung an Textilverkaufsfirmen, die Lagerbestände an Kleidung anzumelden.Rundschreiben
01.07.1946LauterbachSeifenbewirtschaftungBereitstellung einer Seifenzuteilung von 125grRundschreiben
02.07.1946LauterbachTextilbewirtschaftungwegen der Knappheit und anderweitigem großem Bedarf wird ein Verkaufsverbot und eine Meldepflicht für im Handel befindliche Textilien verhängt.Rundschreiben


© Horst Decker

Fortsetzung folgt