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Nachlass 'Josef Kreuter, Farben- und Stempelfabrikant, Frankfurter Str. 131, Gießen'

briefliche Mitteilung an die künftigen Schwiegereltern, die Tochter heiraten zu wollen



Bonn, den 30. Jan. 1947

Sehr geehrter Herr Kreuter!
Sehr verehrte gnädige Frau!

Ihnen bereits von Hörensagen bekannt,
möchte ich mich Ihnen mangels
anderer Gelegenheit, brieflich vor-
stellen.
Ich lernte im vergangenen Jahre
Ihre Tochter näher kennen
und dadurch schätzen und ver-
ehren. Diese Hochachtung ent-
wickelte sich zu gegenseitigen
Liebe und da ich ebenso frei
und unabhängig bin wie
Ihre Tochter auch, so sind wir
überein gekommen unser ferne-
res Leben gemeinsam zu ver-
bringen. Hierzu erbitte ich Ihr

Einverständnis.
Zu meiner Person folgendes:
Ich bin 46 Jahre alt und von
Beruf Wirtschaftsberater. Vor Jahres-
frist habe ich mich selbständig
gemacht und bin soweit,
daß ich eine Frau auch standes-
gemäß unterhalten kann.
In meinem Beruf geht es
langsam aber sicher aufwärts,
sodaß wir uns für die Zukunft
keine Sorge zu machen brauchen.
Wir haben beide das Interesse,
möglichst bald zu ehelichen
und bin ich bemüht schnell
eine uns passende Wohnung
zu suchen. Auch diese Schwierige-
keit wird hoffentlich bald
überstanden sein.
Eins muß ich noch erwähnen:

und zwar die finanzielle Lage
Ihrer Tochter. So schön die finanzielle
Unabhängigkeit Ihrer Tochter ist, so
wenig Interesse habe ich daran.
Das wird bei der Eheschließung
durch entsprechende Eintragung
ins Güterrechtsregister geregelt,
denn ich will mit dem Geld
Ihrer Tochter nichts zu tun haben.
Ich habe bisher mein Leben
aus eigener Kraft gestalten
können und warum soll ich
von diesem Grundsatz in
Zukunft abgehen. Doch zurück
zu meiner Person. In beiden
Weltkriegen bin ich Soldat ge-
wesen, habe beide gottlob
ohne gesundheitliche Schädigungen
überstanden. Und die jetzige
schwere Zeit werden wir auch
noch gesund überleben.

Politisch bin ich unbelastet,
sodaß ich der Zukunft mit jeder
Zuversicht entgegensehe.
Ihnen, gnädige Frau noch die
Mitteilung, daß sie das Paket erhalten
hat. Meine Braut ist auf einen
Tag zu einer Freundin gefahren
und hat mich beauftragt, Ihnen
mitzuteilen. daß Sie nach ihrer
Rückkehr das Geld übersenden
wird.
Ich grüße Sie, sehr geehrter
Herr Kreuter und Sie, gnädige
Frau, auf das herzlichste und
verbinde damit die Bitte, Ihren
übrigen Anverwandten meine
besten Grüße zu übermitteln.
          Ihr ergebener
          A... L....

© Horst Decker