Holländische Internierungslager des ersten Weltkriegs
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speziell Internierungslager Bergen (NH) für deutsche Soldaten
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Die Haager Landkriegsordnung regelt nicht nur das Verhalten bzw. die erlaubten Kampfhandlungen der Kriegsgegner, sondern auch die Beziehung der neutralen Länder zu den Kriegsgegnern, denn Sinn der Neutralität ist es ja, sich durch zwischenstaatliche Verhaltensregeln davor zu schützen, in die Kampfhandlungen hineingezogen zu werden.
Würde es ein neutrales Land zulassen, dass sich Soldaten, z.B. bei Verfolgung durch den Kriegsgegner, in den Schutz des neutralen Staatsgebiet zurückziehen, um dann nach Ende der Gefahr wieder in das Kampfgebiet zurückzukehren, so würde es ja eine der Kriegspartei begünstigen und die Neutralitätspflicht verletzen, was dem benachteiligten Kriegsgegner das Recht zum Angriff geben könnte.
Daher sieht die Haager Landkriegsordnung die Entwaffnung und dauerhafte Internierung von Soldaten aller Kriegsparteien vor, die sich auf den Boden neutraler Länder zurückziehen oder auch versehentlich begeben.
Holland war und blieb im gesamten 1. Weltkrieg neutral.
Der 1.Weltkrieg, ausgelöst durch das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Prinz Franz Ferdinand und seiner Gemahlin am 28. Juni 1914, begann im Westen am 4 August 1914 durch den völkerrechtswidrigen Einmarsch der deutschen Truppen nach Belgien, somit unter Verletzung der belgischen Neutralität. Dabei wurde ein leicht abgeänderter Angriffsplan umgesetzt, den General Graf Schliefen bereist 1893 entwickelte und bis 1906 ständig entsprechend der Änderungen der Militärtechnik modifizierte. Ab 1904 sah der Angriff auf Frankreich den Durchmarsch durch Belgien vor.
General Graf Schliefen
deutsche patriotische Spottkarte auf die Besetzung Belgiens
patriorische deutsche Zierdecke 'Andenken Belgien 1914 -1916' eines deutschen Besatzungssoldaten Belgiens
Als Folge davon flohen Hunderttausende Belgier, Zivilisten und Soldaten, nach Holland. Zudem begingen zahlreiche deutsche Soldaten Fahnenflucht und desertierten ebenfalls nach Holland.
Daher musste Holland direkt bei Beginn der Kriegshandlungen 52 belgische Soldaten und 179 deutsche Soldaten entwaffnen und internieren.
Die deutschen und belgischen Soldaten wurden als Notlösung zusammen in der geräumten holländischen Kaserne von Alkmaar interniert, bis im Lager Gassterland Platz für die belgischen Soldaten geschaffen worden war.
Weitere Lager für Belgier entstanden in Middelburg und als Zeltstadt in Amersfoort.
Nach der Niederschlagung und Besetzung Belgiens, die mit der deutschen Einnahme Antwerpens abgeschlossen wurde, setzte sich erneut ein Strom von Flüchtlingen in Bewegung, und Holland musste etwa 1 Million zivile Flüchtlinge und mehr als 40.000 geflohene Soldaten in Lagern aufnehmen.
Weitere 7.000 belgische Soldaten flohen, teils in zivil, nach England und schlossen sich der englischen Armee an.
Unter den in Holland internierten belgischen Soldaten befanden sich 6 Generäle und 400 ranghohe Offiziere, die in dem Sonderlager Zwolle interniert wurden.
Neben den Belgiern hatte sich die komplette, zur Verteidigung Antwerpens gesandte, englische 1. Marine-Brigade nach Holland abgesetzt, nachdem ihr deutsche Truppen den Rückzug zur Küste abgeschnitten hatten.
(Postkarte Stadthaus Antwerpen - deutsche Kommandatur) )
(deutsche Spottpostkarte auf Besetzung Antwerpens) ()
Eingerichtet waren die ersten Internierungslager in oder im Umfeld von holländischen Kasernen, die weitgehend leer standen, denn die holländischen Truppen waren zur Grenzsicherung mobilisiert worden. Nicht zuletzt eben, um die Neutralität gefährdende Grenzverletzungen gegnerischer Soldaten zu unterbinden und Soldaten der Kriegsgegner festzunehmen, die holländischen Boden betraten.
Folgende größere Lager für Militär-Internierte bestanden:
- - Amersfoort mit dem Internierungslager Zeist (15.000 Internierte lebten in Baracken und einer Stadt aus 900 Zelten, die nach und nach durch 24 Baracken ersetzt wurden)
- - Harderwijk (13.000 Internierte, anfangs Zeltlager, das nach und nach durch 50 Baracken ersetzt wurde.)
- - Groningen - Lager speziell für internierte englische Soldaten
- - Oldebroek , das nur bis 1916 bestand
- - Alkmaar, anfangs für deutsche und belgische Soldaten, wegen der Konflikte zwischen beiden gegnerischen Kriegsgruppen später nur für deutsche Internierte. Das Lager Alkmaar wurde nur so lange genutzt, bis das in der Nähe liegende Lager Bergen NH aufgebaut war. Dann wurden die deutschen Internierten dorthin verlegt.
Baracken des deutschen Internierungslagers Bergen NH
Im Lager Bergen befanden sich Anfang 1915 drei deutsche Offiziere und 122 Manschaftsdienstgrade. Die meisten davon Deserteure, aber auch notgelandete Piloten oder gestrandete Marinesoldaten und anderweitig auf das Gebiet der Niederlande gelangte Soldaten.
Das führte zu Konflikten, so dass die Deserteure verlangten, in ein anderes Lager verbracht zu werden. Im Mai 1916 wurden daraufhin 32 deutsche Deserteure entlassen.
1917 stiegt die Zahl der deutschen Deserteure, die in Holland Schutz suchten, auf 554 an, so dass vor Ort ein zweites Lager speziell für diese Gruppe gebaut wurde.
(Erinnerungsstück eines deutschen Internierten) ()
- - Lager Gaasterland, für belgische Soldaten und nur bis Dezember 1916 in Nutzung . Die entwaffneten Belgier waren aus Platzmangel auf mehrere Ortschaften (Oudemirdum, Rijs, Bakhuizen, Balk und Sondel) verteilt, was eine Überwachung durch das holländische Militär sehr erschwerte.
Offiziere hatten die Möglichkeit, gegen das Versprechen, jeden Fluchtversuch zu unterlassen, außerhalb der Lager zu leben.
Englische und französische Offiziere, die dieses Versprechen nicht gaben, wurden in Fort Wierickerschans in der Nähe von Bodegraven und auf der Insel Urk festgehalten.
In den kleinen Barackenstädten der Internierungslager gab es Schulen, Badehäuser, Postämter, Geschäfte, Speisesäle und Kirchen.
Im März 1915 wurde im Gefängnis Vlissingen ein Straflager für gewalttätige Internierte eingerichtet.
Bis 1915 bestanden zusätzlich folgende Lager:
- - Leeuwarden (1,200 überwiegend englische Internierte). Das Lager war nicht winterfest und wurde am 18.Januar aufgelöst. Die englischen Internierten kamen ins Barackenlager Groningen.
- - Assen (2,500 Internierte)
- - Kampen (1,800 Internierte)
- - Zwolle (400 Internierte)
- - Loosduinen: 'Ockenburgh' (1,500 Internierte).
Die Familien verheirateter Internierter erhielten die Möglichkeit, in die Nähe der Lager zu ziehen und Ihre Ehemänner, bzw. Väter regelmäßig zu sehen. Da die Familienangehörigen oft mittellos waren, richtete Holland weitere Familienlager in der Nähe der Internierungslager ein.
- bei Amersfoort die Lager: - Alberts' Dorp , Elizabeths' Dorp und Nieuwdorp
- bei Harderwij die Lager: - Leopolds' Dorp und Heidekamp
- bei Gaasterland das Lager Boschkant
- bei Oldebroek das Lager Moensdorp
Bis zum Mai 1918 nutzten 6.600 Familien die Möglichkeit in der Nähe der internierten Männer zu leben. Zugleich leerten sich die Lager aber immer mehr, da ca. 46% der Internierten Arbeit in holländischen Firmen fanden und so die Lager verlassen konnten.
Bis 1917 waren daher nur noch die Lager Zeist, Harderwijk, Groningen und Bergen (NH) in Betrieb. 1918 wurde geplant, auch das Lager Harderwijk zu schließen und die verbliebenen 4.500 Internierten nach Zeist zu verbringen. Eine holländische Händlerinitiative, die gute Geschäfte mit den Internierten in Harderwijk gemacht hatte, verhinderte das allerdings und erreichte, dass gegenteilig die Internierten von Zeist nach Harderwijk verbracht wurden und Zeist aufgelöst wurde.
Insgesamt internierte der holländische Staat bis Ende des Weltkrieg am 11. November 1918 über längeren Zeitraum 33.105 belgische, 1751 englische, 1461 deutsche, 8 französische und 4 amerikanische Soldaten, die nach Kriegsende ab Dezember 1918 wieder in ihre Heimat entlassen wurden.
Neu aufgenommen hatte Holland dafür den deutschen Kaiser Wilhelm II mit Familie, der am 9. November 1918 abgedankt hatte und am 10. November, einen Tag vor dem Waffenstillstand, nach Holland ins Exil floh. Nicht in ein Internierungslager, sondern in das Schloss Doorn
© Horst Decker