Entwicklung des Waffenrechtes

(Horst Decker, 63691 Ranstadt)

Bis zum Jahr 1972 gab es bezüglich des Waffenrechtes folgende Regelung:
Deutschland war a priori aus waffenrechtlicher Sicht 3-geteilt.

in:
a) Die DDR
b) in West-Berlin
c) in die Bundesrepublik. Die rechtlich vollständig unterschiedliche Gebilde waren.

a). Leider ist mir das Waffengesetz der DDR nur sehr vage bekannt, was aber auch sicher genau dem Charakter des Gesetzes entspricht.
Nach 1945 war durch Machtdurchgriff der Sowjetischen Militäradministration der private Besitz von Waffen schlichtweg gegen Androhung der Todesstrafe verboten.
Andererseits verfügten natürlich die Personen der DDR, die staatstragende Funktionen vom Staatssicherheitsdienstsmitarbeiter bis hin zu politischen Beamten unmittelbar Ausnahmeregelungen, denn ohne diese Personen hätte die Sowjetische Militäradministration ihren Machtsanspruch gegenüber der Bevölkerung nicht notfalls erzwingen können.
In der 'Volksrepublik' hatten die 'Volksvertreter' schlichtweg Angst vor dem Volk, dass sich von ihnen schlecht vertreten fühlt und zur Revolution neigen könnte. Man bedenke nur, wie der 17.Juni 1953, den wir heute als Aufbäumen eines gerechten Demokratiewillens sehen, verlaufen wäre, hätten nicht nur die Unterdrücker Waffen gehabt.
Der vielgeschmähte Grundgedanke der Verfassung der Vereinigten Staaten, ebenso wie der der Schweizer, der dem Bürger einen Rechtsanspruch auf Waffenbesitz zuspricht, basiert auf der unbestreitbaren Tatsache, dass deren Bürger im 18. bzw. 15ten Jahrhundert nur deshalb eine Demokratie und eine Verfassung mit Menschenrechten erkämpfen konnten, weil sie bewaffnet waren und sich so gegen Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen erwehren konnten.
Ich möchte hier nicht die Zeit um hunderte von Jahren zurückdrehen, denn die heutigen Probleme und sozialen Strukturen sind ungleich komplizierter und nicht vergleichbar, aber offenbar schreckt der Gedanke die Obrigkeit noch immer, dass sie irgendwann einmal ein Maß des Zumutbaren überschreiten könnten und der Bürger Mittel hat, sich das nicht gefallen lassen zu müssen, sondern die Verfassung verteidigt, wie es alle rechtstaatlichen Verfassungen von jedem Bürger zwingend fordern.
Nun zu späteren Zeitpunkt wäre es auch 'normalen' DDR Bürgern durchaus theoretisch Möglich, als Sportschütze, als Sammler und als Jäger Waffen zu erwerben.
Allerdings mussten hierbei moderne Waffen zur Verwahrung bei der Polizei hinterlegt sein und konnten einzeln zur befugten Jagdausübung bzw. zu Sportveranstaltungen befristet in Verfügung genommen werden.
Dadurch behielt der DDR Staat eine Übersicht über das Waffenpotential, dass seine Bürger hatte, und es war praktisch unmöglich, sich als politische Opposition zu einem bewaffneten Umsturz zusammenzufinden, denn natürlich wäre es der Polizei sofort aufgefallen, wenn ein ungewöhnlich hoher Prozentsatz seiner Waffenbesitzer auf einmal gleichzeitig seine Waffen zu Jagd- oder Sportzwecken ausgehändigt haben wollte.
Das Waffengesetz der DDR zielte somit nicht im Geringsten auf die Bekämpfung der Kriminalität, sondern auf den Schutz des Staates vor inneren Unruhen und auf einen Schutz seiner Regierungsvertreter vor Entmachtung durch das Volk.
Wie sehr ein strenges Waffengesetz geeignet ist, den Waffenbesitz - auch der ansonsten gesetzestreuen Bürger, von denen keinerlei Gefahr für den Staat ausgeht - zu kontrollieren und zu unterbinden, zeigt der Umstand, dass mir unmittelbar nach der 'Wende' und noch vor Ende der DDR aus dem Gebiet der DDR scharfe Maschinenpistolen und anderer Kriegswaffen aus dem 2. Weltkrieg angeboten worden waren, die DDR-Bürger trotz Androhung der Todesstrafe, versteckt behalten hatten.

b) Dann gab es das 'West-Berliner Waffengesetz'. Ursprünglich nach Vorgabe der Alliierten sogar mit das Strengste, denn es war letztlich das unveränderte Gesetz der Alliierten Militärregierung über Deutschland 'zum Schutze gegen Militarismus und Nationalsozialismus'.
Nach diesem Gesetz war alles verboten, was irgendwie zur Kriegsausübung bzw. zum Angriff auf Besatzungssoldaten notwendig oder tauglich war.
Noch vor 1990 wurden Bürger nicht nur wegen Besitz von alten Säbeln oder Bajonetten zu Haftstrafen verurteilt, sondern sogar - wie in einem mir bekannten Fall - wegen Besitz von Dienstrangabzeichen, in dem Falle Schulterklappen, also Uniformsteilen aus Stoff.
Die Logik zielte dahin, alles was zum Zeitpunkt des 2. Weltkriegs als Ausrüstung eines Heeres angesehen wurde, unterlag dem Besitzverbot. Unzählige West-Berliner Flohmarkthändler sind in den Maschen dieses Gesetzes hängen geblieben, das übrigens mit gewissen Abstand vom 2. Weltkrieg, von den Deutschen Autoritäten erheblich restriktiver ausgelegt und gehandhabt wurde, als von den Besatzungsmächten, die die Handhabung des Gesetzes in den 50er Jahren an die deutsche Verwaltung delegiert hatte.
Die Definition der Alliierten hatte aber auch einen positiven Effekt. Zwar war der Besitz von Schulterklappen Straftatsbestand, der mir bekannte Händler, der zwei Mal auf dem Flohmarkt mit solchen erwischt worden war, wurde von einem Berliner Gericht als 'notorischer und unverbesserlicher Straftäter' zu einer 8-monatigen Haftstrafe verurteilt, die er absitzen musste!, aber bestimmte Schusswaffen, die durchaus noch zu Straftaten gebraucht werden konnten, waren an jedermann frei verkäuflich, weil sie als Antiquitäten eingestuft waren, denn sie waren im 2. Weltkrieg längst nicht mehr in Militärgebrauch.
Das betraf alle Faustfeuerwaffen, also Pistolen und Revolver, deren System vor 1871 konstruiert worden war und alle Gewehrkonstruktionen vor 1891.
Bedenkt man, dass die Revolverentwicklung 1871 mit dem Colt Peacemaker, heute noch hergestellt, einen Höhepunkt erreichte, dass praktisch fast alle Kaliber noch heute üblich sind (cal.22 Randfeuer wurde 1860 entwickelt), so heißt das, alle älteren 22er Sport- und Jagdwaffen, Salon- und Gartenpistolen waren frei verkäuflich, alle einschüssigen Militärgewehre und die ersten Repetiergewehre in noch heute gebrauchsfähigen Kalibern konnten frei gekauft werden.
Auch hier ist die Zielsetzung erkennbar:
Das Gesetz zielte nicht auf die Bekämpfung der Kriminalität, an der Schusswaffen ohnedies nur weniger als 5% Anteil haben, sondern auf den Schutz der Staatsautorität vor dem mündigen Bürger. Das Gesetz sollte schlicht einen Zustand festschreiben, der garantierte, dass die Statsgewalt erheblich besser bewaffnet war, als jeder beliebige Bürger. Das beweist nicht zuletzt die Tatsache, dass eben auch Schutzausrüstung wie Helme etc. verboten waren, mit denen der Bürger sich vor Missbrauch staatlicher Gewalt hätte schützen können.
Schon ein Anachronismus in Berlin, der Stadt des 'Kartätschenprinzen', der 1848 das gegen Machtmissbrauch demonstrierende Volk mit Schrapnellgeschossen zusammenschießen ließ.
Eine Kuriosität am Rande, 1953 häuften sich Übergriffe von Ost-Berliner und Sowjetischer Geheimpolizei, die unliebsame West-Berliner Bürger entführten und sie in Ost-Berlin zu langen Haftstrafen oder gar zu Tode verurteilten.
Die SPD brachte daher einen Antrag im Parlament ein, jedem West-Berliner Bürger einen Waffenschein auszustellen, der ihn zum Führen einer Pistole berechtigt, um so die Übergriffe aus der DDR abwehren zu können, da die Polizei und das Alliierte Militär hierzu personell nicht in der Lage seien. Hier wurde also wieder die Rolle des legalen Waffenträgers als Verteidiger des Staates erkannt.

c) Nun war die Situation in der Bundesrepublik erneut anders.
Bis Oktober 1949, zur Gründung der Bundesrepublik, galten die Alliierten Bestimmungen, die auf eine Entwaffnung des Volkes von 'modernen kriegstauglichen Waffen' hinzielten. Die Situation war die, wie sie bis zur Wende in West-Berlin war.
Nachdem 1949 die Bundesrepublik gegründet wurde, gab es dringendere Probleme, nämlich durch Wohnungsbau und Lebensmittelbeschaffung dem Millionenheer von Obdachlosen, Flüchtlingen, Verschleppten, Waisenkinder etc. ein Überleben und einen Übergang in ein geregeltes Leben und in Arbeit zu sichern.
Das Waffengesetz war hier sozial- und kriminalpolitisch ohne jede Dringlichkeit.
Man bestätigte einfach wieder das Reichswaffengesetz von 1936. Dies kannte folgende Regelungen.